Dämon Iran?

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Dämon Iran?

Bismillahir rahmanir rahim

So war der gestrige Vortrag der Initiative Kein Krieg gegen Iran überschrieben, den  Prof. Mohssen Massarat gehalten hat.

Massarat

Wie aus der Biographie des Referenten ersichtlich, ist er seit über 30 Jahren in der Friedensbewegung aktiv und dabei ergraut, wie der größte Teil der Zuhörer seines Vortrages – das nur am Rande. Mir fällt immer wieder auf, dass anscheinend nur  ein harter Kern der großen Friedensbewegung die Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts aktiv war, übrig geblieben ist. Ich vermisse junge Leute. An Prof. Massarat kann es allerdings nicht liegen, denn er ist auch in der Jugendarbeit tätig. Als Kultureinlage zwischen Vortrag und Diskussion haben wir dann auch einen Rap gehört, den er mit jungen Leuten in Berlin erarbeitet hat. Ich habe angefragt, ob es dazu etwas online zu finden gibt, mit meinem Handy ist die Aufzeichnung nicht so gelungen.

Die Vortragsreihe ist überschrieben: “Iran-Krise”: Ist Israels Sicherheit bedroht und wird in der nächsten Woche  am Mittwoch fortgesetzt mit einem Vortrag von Jürgen Rose – dazu hab ich jetzt noch nichts online gefunden und muss wohl den flyer einscannen, das kommt dann inschaAllah noch.

Aber nun zum Vortrag:

Die erste Frage die Prof. Massarat anspricht ist: “Ist Iran auf dem Weg zu einer Atommacht?”

Er wies darauf hin, dass die Berichterstattung darüber sich auf Themen beschränkt wie: Hält Iran den Atomwaffensperrvertrag ein? Verschleiert Iran seine Absichten?

Nach Prof. Massarat sind das Randfragen und es ist Absicht, dass sich die Berichterstattung der Medien darauf beschränkt. Erweiterte Sichtweisen sind in den Mainstream-Medien nicht erwünscht – so auch nicht seine eigenen Artikel die im Gegensatz zu früher in diesen Medien nicht mehr gedruckt werden und darum nur in alternativen Medien zu finden sind. Früher wurde er häufig zu Fernsehdiskussionen eingeladen, auch das ist heute (seit ungefähr vier Jahren) nicht mehr der Fall.

Er meint, man muss sich zunächst die Frage stellen, wie denn die Sicherheitslage Irans ist: Das Land ist viermal so groß wie Deutschland und hat nach uns auch weltweit die meisten Nachbarstaaten. In der amerikanischen Vorstellung der Welt gehört es zum “Broader Middle East” und liegt im Zentrum eines strategisch wichtigen Gebietes, hat viele Ressourcen und eine relative wirtschaftliche Stärke (s. auch hier und hier).

Sicherheitspolitisch ist es umgeben von Atommächten wie Indien, Pakistan und Israel. Dazu haben die USA das Land mit Militärbasen umzingelt. Ich hab dazu mal dieses Bild stibitzt:

IRAN-wwwjuancolecom

Bildquelle: Hinter der Fichte

Prof. Massarat sagt, dass sich unter diesen Bedingungen jede iranische Regierung die Frage stellen muss, wie sie das Land absichern kann und sieht dazu zwei Möglichkeiten:

  • atomare Abrüstung aller Staaten in der Region

oder

  • eigene Atomwaffen

Mossarat meint, dass sich die iranische Führung für die zweite Alternative entschieden habe und dass das Thema Abrüstung nicht, oder nicht genug diskutiert würde, denn Iran würde sich an der Planung und Durchsetzung einer  regionalen Konferenz unter UN-Schirmherrschaft für einen Nahen und Mittleren Osten frei von Massenvernichtungswaffen nicht ausreichend beteiligen, bzw. zu viele Vorbedingungen stellen (Israel betreffend, das sich dieser Konferenz  ganz verweigert).

Ich sehe das anders, schließlich thematisiert Iran diese Pläne immer wieder unter dem Motto “Atomkraft für alle, Atomwaffen für niemanden” und hat schon in 2010 dazu eine Konferenz in Teheran abgehalten. Dort hat Ayatollah Chamenei, religiöser Führer und Staatsoberhaupt Irans seine Fatwa bekräftigt, die Herstellung und Gebrauch atomarer Waffen verbietet. Auch auf der Konferenz der Blockfreien Staaten in Teheran hat Ayatollah Chamenei sich erneut diesbezüglich geäußert:

“Die IR Iran bezeichnet die Nutzung von atomaren, chemischen und ähnlichen Waffen als eine große und unverzeihliche Sünde. „Wir haben das Motto eines atomwaffenfreien Nahen und Mittleren Ostens zur Sprache gebracht und fühlen uns dem verpflichtet“ s. hier und auch hier

Wie oben erwähnt, glaubt Prof. Massarat nicht daran, dass Iran tatsächlich nicht die Fähigkeit zum Bau von Atomwaffen anstrebt. Allerdings glaubt er auch, dass Iran jedenfalls bislang keine Atomwaffen baut. Es ginge wirklich nur um die Möglichkeit das zu tun. Er findet das als Pazifist bedauerlich, aber verständlich und keine Katastrophe. Seine Kritik richtet sich an die Strategie der iranischen Führung, die dieses Streben nicht klar benennt, sondern mit einer Politik der Vertuschung seinen Gegnern ständig Gründe  zum Vorgehen gegen Iran liefert.

In seinen Augen wäre es klüger gewesen, wenn Iran die Notwendigkeit einer Abschreckung durch seine  Atomwaffenfähigkeit, angesichts oben dargelegter Bedrohungen,  offen darlegen würde.

Eine solche Fähigkeit zu erwerben widerspricht im Übrigen nicht den Bedingungen des Atomwaffensperrvertrages. Ca. 40 Länder in der Welt verfügen über diese Möglichkeit, darunter auch Deutschland, Japan und Südafrika.

Nach der Glaubwürdigkeit der Fatwa von Ayatollah Chamenei gefragt, meint Prof. Massarat, dass diese dann ggf. umgedeutet werde würde. Denn natürlich wolle Iran Atomwaffen nicht einsetzen, selbst wenn es sie bauen würde.

Die Politik der Ambiguinität, die Iran verfolge helfe seinen Gegner bei der “Dämonisierung” Irans, die ja den Titel dieses Vortrages bildete. So würde es erleichtert, Iran als Unrechtsstaat mit einer grundsätzlich irrationalen und nicht glaubwürdigen Führung darzustellen und eine öffentliche Diskussion über die wahren Ursachen des Konfliktes zu führen.

Und dazu kam er in einem weiteren Teil seines Vortrages. Offiziell wird ja die angebliche Bedrohung der Existenz Israels als Vorwand für den “Atomkonflikt” genannt. Man müsse einen “zweiten Holocaust” verhindern.Aber wie sieht es denn damit in Wirklichkeit aus?

Wenn Iran tatsächlich Atomwaffen, oder auch nur die Fähigkeit besäße sich solche zu beschaffen, dann wäre das israelische Monopol darauf gebrochen. Es bestünde eine Situation der gegenseitigen Abschreckung, wie wir sie aus dem “Kalten Krieg” gekannt haben.

Als Friedens- und Konfliktforscher findet Prof. Massarat eine solche Politik natürlich grundsätzlich unvernünftig. Aber Iran verhalte sich damit nicht irrationaler als alle Atomstaaten der Welt.

Iran wäre aber niemals so verrückt, Atomwaffen gegen Israel einzusetzen. In Anbetracht der geringen Größe Israels, würden auf jeden Fall die arabischen Nachbarländer von den Folgen betroffen sein, genauso wie die Palästinenser und auch die heilige Stadt Jerusalem. Iran würde sich so die gesamte islamische Welt zum Feind machen.

Auf der anderen Seite sind es aber die israelischen Atomwaffen, die den Friedensprozess im Nahen Osten be- bzw. verhindern.

Die zionistische Elite die an der Macht ist, sei auf jeden Fall fundamentalistischer als die iranische Führung und führe eine ideologische Politik des Strebens nach einem Groß-Israel, die eine Zweistaatenlösung unmöglich mache.

Von der Gefahr eines zweiten Holocaustes könne angesichts der israelischen Atomwaffen und seiner Schutzmächte USA und der NATO keine Rede sein. Aber, so fragte Prof. Massarat, warum tritt eigentlich Israel nicht auch formal der NATO bei? Deshalb nicht, weil es sich dann aus den besetzten Gebieten zurückziehen müsse, wie es die UN-Resolutionen seit Jahrzehnten fordern!

Es geht den Israelis also um die Fortsetzung der Besatzungspolitik. Und sie sichern sich durch nukleare “Zweitschlagskapazität” ab, indem sie einen Teil ihrer Atomwaffen auf U-Boote verlagern, die in der Lage wären bis zu 18 Tage unter Wasser zu bleiben. Die Unterstützung dieses Vorgehens durch die Bundesregierung ist ein Verfassungsbruch, denn “wir” unterstützen hier nicht die Sicherheit Israels, sondern die israelische Besatzung.

Soweit zur israelischen Motivation, die iranische Atombombe zu verhindern. Zu den Gründen der USA, Iran unter dem Vorwand des Atomprogramms zu bekriegen, führte Prof. Mossarat im Wesentlichen das aus, was schon in den obigen links besprochen wird. Die Sicherung der unilateralen Weltordnung der USA ,den Dollar als Leitwährung zu erhalten, Zugang zu den Ressourcen des Nahen und Mittleren Ostens zu sichern.

Die Strategie der USA ist dabei, auch darüber haben schon viele geschrieben, Irans Handlungsmöglichkeiten einzuschränken, denn Iran strebt an, oder ist es schon, die stärkste Regionalmacht zu werden. Deshalb das Bestreben der USA, Syrien zu zerschlagen, die Hisbollah zu vernichten und insgesamt konfessionelle Konflikte und separatistische Bewegungen zu fördern. Ob Kurdistan oder Belutschistan, Aserbaidschan – je mehr Kleinstaaterei, je besser. Die Region habe sich allerdings niemals durch ethnische oder religiöse Konflikte hervorgetan – es habe bis auf die letzten 50 Jahre nur territoriale Kriege gegeben. Diese neuen Konflikte sind also von außen geschürt.

Die USA würden allerdings nicht schaffen, Iran zu besiegen, ohne das Land und seine Kultur völlig zerstören zu müssen, denn Iran habe erhebliches Potential zur asymmetrischen Kriegsführung ( s. auch hier und hier). Ob sich die USA an dieses Abenteuer heranwagen würden? Ich hoffe doch nicht.

Bleibt noch zu erwähnen, was Prof. Massarat an Hoffnung und Lösungsmöglichkeiten vorzuschlagen hat. Er setzt auf die o.g. Konferenz der UN, die inzwischen auch von Ägypten sehr gefördert wird. Israel verweigert sich dem mit der paradoxen Begründung dass “erst der Nahostfrieden gesichert sein müsse”, während Iran sich leider ziere, weil es wiederum eine Teilnahme Israels fordere und dass die USA das Projekt nicht boykottieren.

Auch dieses wäre ein strategischer Fehler Irans sagt Prof. Mossarat, denn es müsse ein Anfang gemacht werden, auch wenn zunächst nicht alle regionalen Mächte mitmachen würden. Aufgabe der Friedensbewegung sei es also, für diese Konferenz zu werben.

Die anschließende Diskussion war erwartungsgemäß wenig kontrovers, nur ein Teilnehmer fand es erschreckend, dass die unterstellte Tatsache, dass Iran anstrebe Nuklearmacht zu werden, so vom Publikum hingenommen würde. Und die Bloggerin ist so idealistisch zu glauben, dass auf die Aussage eines integren Staatsführers wie Ayatollah Chamenei Verlass ist und steht damit leider ziemlich alleine da.

Dass allerdings in dem Vortrag diese ganze Fragestellung nüchtern behandelt und eben im Gegensatz zu sonstiger Berichterstattung Iran eben nicht als ein von “Irren” die nach der Apokalypse streben,  geführter Staat dargestellt wird, ist natürlich sehr erfreulich und hat mir ausgesprochen gut gefallen.

Auch wenn ich die theologische Verirrung, dass der Glaube an Imam Mehdi, möge Allah seine Wiederkehr beschleunigen, einen Wunsch nach Krieg und Chaos beinhaltet natürlich nicht unwidersprochen lassen will. Aber das war ja auch keine Veranstaltung von Theologen.

Also insgesamt fand ich das einen gelungenen Abend und wenn es auch überwiegend deswegen war, weil ich von einem ausgesprochen sachkundigen Menschen in dem bestätigt wurde, was ich selber schon geschlussfolgert habe, jedenfalls in einigen Teilen. Und selbst falls Prof. Massarat Recht hätte mit seiner These, dass die Iraner die Fähigkeit zum Atomwaffenbau anstreben, würde das nicht bedeuten, dass sie eine aggressive Politik verfolgen. Das wäre immerhin ein Trost, auch wenn ich das nicht gutheißen würde. Aber ich heiße ja auch nicht die Nutzung von Atomenergie gut. Nur ist das Sache der Iraner, diesen Fehler zu machen, wie andere Länder es auch tun.

P.S.:

Dass die mögliche iranische Atombombe kein Grund zur Panik wäre, meint nicht nur Prof. Massarat: Niemand braucht sich um eine Atommacht Iran Sorgen machen

Zu Imam Mehdi und seiner Revolution lest auch gerne meine Artikelreihe, beginnt hier: Imam Mehdi, der der Welt Gerechtigkeit bringen wird . Ich erhebe natürlich keinen Anspruch darauf, das umfassend darstellen zu können, aber vielleicht verschafft es den Lesern einen ersten Eindruck, die mit dem Thema gar nicht vertraut sind.

P.P.S:

Das ist der erste Artikel den ich mit dem Window Live Writer erstellt habe und inschaAllah klappt das jetzt gleich mit der Veröffentlichung und vor allem mit den Verlinkungen. Diese funktionieren ja nicht mehr richtig, seit ich meinen aktuellen Style habe. Nun bin ich mal gespannt.

Ich danke Euch für Euer Interesse!

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