Bismillahir rahmanir rahim
Noch etwas, das mir zum “Superwahljahr” einfällt: ein Vergleich der Auswahl der Kandidaten für die Position des Regierungschefs in unterschiedlichen Ländern. Z.B. die USA, auch wenn die Wahlen da schon vorbei sind, aber noch nicht lange. Und außerdem sind ja die USA ihrer eigenen Meinung nach das große Vorbild für Demokratie und Freiheit. Deutschland natürlich und, wen wundert das bei mir, die viel gescholtene Islamische Republik Iran.
Aber nehmen wir mal zu Anfang die USA. Hier ist der Präsident Regierungschef und Staatsoberhaupt zugleich, das ist natürlich anders, als in den “Vergleichsländern”.
Den Kandidaten, den die Partei ins Rennen schickt, bestimmen die Parteimitglieder im Rahmen der Vorwahlen, von denen wir in unseren Medien ja auch immer schon viel hören. Vorwahlen bedeuten: die Delegierten für den Parteitag, der letztlich den Kandidaten wählt, werden in den einzelnen Bundesstaaten gewählt. Die Anzahl der Delegierten richtet sich nach der Bevölkerungsgröße des Bundesstaates. Wie auch später bei der Präsidentschaftswahl, gewinnt der Kandidat mit den meisten Stimmen im Bundesstaat automatisch alle Delegiertenstimmen dieses Staates.
Der Wahlkampf innerhalb der Parteien wird deshalb schon mit ungeheurem Aufwand geführt. Grundsätzlich sind die Bedingungen, die ein Kandidat erfüllen muss, nicht so umfangreich:
Jeder Bürger kann für das Präsidentenamt kandidieren, wenn er in den Vereinigten Staaten geboren wurde, mindestens 35 Jahre alt ist und seit mindestens 14 Jahren seinen festen Wohnsitz in den Vereinigten Staaten hat.
so verrät uns wikipedia.
Das sind theoretisch nicht so viele Voraussetzungen, bemerkenswert allerdings, dass man als eingebürgerter Amerikaner nicht kandidieren kann, oder wenn ich es richtig verstehe nicht mal als im Ausland geborener US-Staatsbürger. Dass Verfassungstreue Bedingung für die Kandidatur ist, habe ich nicht gefunden, aber nun ja, das setze ich mal voraus.
Am Wichtigsten für einen amerikanischen Präsidentschaftskandidaten scheint allerdings zu sein, dass er reich ist ist und ein Talent hat, noch reicher zu werden: seine Erfolgsaussichten während des Wahlkampfes werden daran gemessen, wieviel Geld er einzutreiben vermag. Der Wahlkampf 2012 war der teuerste in der Geschichte der USA. Sechs Milliarden Dollar wurden im letzten Wahlkampf verbraten. Fairerweise muss ich sagen, dass amerikanische Präsidenten, bzw. Kandidaten nicht automatisch aus reichem Elternhaus stammen müssen. Finanziert wird ihr Wahlkampf jedenfalls von den ganz großen privaten Spendern und Konzernen wie Goldman Sachs, JP Morgan Chase, Citigroup, UBS, Google und Microsoft. Die werden sich natürlich von der Präsidentschaft ihres (im wahrsten Sinne des Wortes) Kandidaten etwas versprechen..
Theoretisch können natürlich mehr als zwei Parteien Kandidaten ins Rennen schicken. Praktisch werden die Wahlen in den USA zwischen Republikanern und Demokraten ausgetragen, das Wahlsystem lässt kleineren Parteien keine Chance.
In großen “Conventions” der Parteien wird die heiße Wahlkampfphase angeschoben:
Patriotisch und emotional geht es dabei zu, die Kandidaten schicken gerne als erstes ihre Ehefrauen ins Rennen:
Ja, patriotisch und emotional. Und inhaltlich? Und was um Himmels Willen kann so viel Geld kosten? Fast 50 Millionen Amerikaner sind übrigens auf Lebensmittelgutscheine angewiesen. Man kann ja mal anhand des US Budgets schauen, wie das im Verhältnis zum einen oder anderen Haushaltsposten ist.
Wenn die amerikanischen Politiker 30% ihrer Zeit damit verbringen, Geld aufzutreiben, dann kann man natürlich keine inhaltlichen Feinheiten im Wahlkampf erwarten. Beliebtes Mittel: das Fernsehduell.
Das Wahlsystem der USA mit der indirekten Wahl über die Wahlmänner finde ich ziemlich verwirrend. Erklärt wird es hier und hier. oder anschaulich:
Interessant ist, dass ein Kandidat Präsident werden kann, obwohl er nicht die Mehrheit der Wählerstimmen erhalten hat. Zuletzt passiert im Jahr 2000, als der Kandidat Al Gore mehr Stimmen erhielt als George W. Bush, der aber durch das Wahlmännersystem trotzdem Präsident wurde. Mit den bekannten Folgen, u.a. für die “Achse des Bösen”.
Übrigens gibt es auch im Vorzeigeland der Demokratie mal durch Wahlbeobachter am Ablauf etwas auszusetzen. S. auch hier.
Vielleicht ist noch interessant, dass man in den USA eine strikte Gewaltenteilung hat – und dass man das in Iran wiederfindet, aber dazu später.
Die Verfassung verlangt eine totale Gewaltenteilung . Die Legislative bestehend aus Senat und Repräsentantenhaus die Judikative gebildet durch den obersten Gerichtshof und die Exekutive der Präsident sind verpflichtet sich gegenseitig zu kontrollieren. Dieses System bezeichnet man als system of checks and balance . (gefunden hier)
Allerdings sind die Abgeordneten in Senat und Repräsentantenhaus nicht parteipolitisch ungebunden, das ist nun wieder bei den Iranern ganz anders.
Aber nehmen wir uns doch erst mal Deutschland vor. Für das passive Wahlrecht gibt es nur eine Bedingung: die Volljährigkeit und die deutsche Staatsbürgerschaft natürlich. Entzogen werden kann das aktive oder passive Wahlrecht nur in ganz seltenen Fällen:
Wer wegen eines Verbrechens (einer rechtswidrigen Tat, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht ist) verurteilt wird, verliert automatisch sein passives Wahlrecht für fünf Jahre (§ 45 Abs. 1 StGB). Bei einem Vergehen (eine mit Geldstrafe oder einem Mindestmaß von weniger als einem Jahr Freiheitsstrafe bedrohte Straftat) führt auch eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr nicht automatisch zum Entzug des passiven Wahlrechts.
Es ist interessant, dass u.a. folgende Straftaten zum Entzug des Wahlrechts führen können:
- Vorbereitung eines Angriffskrieges
- Aufstacheln zum Angriffskrieg
- Hochverrat gegen den Bund
- Hochverrat gegen ein Land
- Verfassungsfeindliche Sabotage
- Verfassungsfeindliche Einwirkung auf Bundeswehr und öffentliche Sicherheitsorgane
- Verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Verfassungsorganen
- Friedensgefährdende Beziehungen
- Angriff gegen Organe und Vertreter ausländischer Staaten
- Wählerbestechung
- Abgeordnetenbestechung
- Sicherheitsgefährdender Nachrichtendienst
komplette Liste
Jetzt fällt mir da so einiges ein, was unsere Politiker verbrechen, aber man muss sich wohl keine Sorgen machen, dass in diesem Staat ein potentieller Kanzlerkandidat je verurteilt würde.
Wie aber sieht die praktische Kandidatenkür in Deutschland aus?
Der Regierungschef, oder wie derzeitig die Regierungschefin, als Kanzler, wird in Deutschland vom Parlament, dem Bundestag gewählt. Da die Bundestagsabgeordneten in der Regel Parteien angehören, bestimmen diese auch im Vorfeld des Wahlkampfes ihren Spitzen- oder Kanzlerkandidaten. Grundsätzlich ist es für unabhängige Bewerber möglich, als direkt gewählter Abgeordneter in den Bundestag einzuziehen, praktisch hätte so jemand aber keine Aussicht von der Mehrheit der parteigebundenen Abgeordneten zum Kanzler gewählt zu werden.
Wie die Parteien ihre Kanzlerkandidaten bestimmen ist unterschiedlich und verändert sich. Für diesjährigen Wahlen haben die Parteien folgende Verfahren gewählt:
- Die SPD, die im Juli 2011 eine Troika aus den Politikern Steinmeier, Steinbrück und Gabriel als Führungsteam installiert hatte und die Frage der Kanzlerkandidatur bis Anfang 2013 aufschieben wollte, wurde vom eigenen inneren und äußeren Druck überwältigt und so machten die drei Herren die Kandidatenfrage im September 2012 unter sich aus – Peer Steinbrück geht für die SPD ins Rennen. Bestätigt wurde das erwartungsgemäß vom SPD-Parteivorstand. Abgestimmt wurde dann von den Delegierten auf dem Bundesparteitag 2012, Steinbrück erhielt 93,5% der Stimmen. Einen Gegenkandidaten gab es nach den vorausgegangenen Aktivitäten nicht mehr. Im Gegensatz zur CDU sind bei der SPD Kanzlerkandidat und Parteichef nicht eine Person (Vorsitzender ist Sigmar Gabriel)
(Kleine ironische Anmerkung: wieviel % der Stimmen wohl Steinbrück ein halbes Jahr später erhalten würde? Man könnte ja fast vermuten, er sei von der CDU bezahlt, ja in so viele Fettnäpfe wie möglich zu treten, damit ja keine Gefahr bestünde, AMerkel könne möglicherweise mit der SPD koalieren müssen oder gar die Wahl verlieren.)
- Die regierende CDU schickt erwartungsgemäß ihre Kanzlerin Angela Merkel erneut ins Rennen. Bestätigt wurde sie als Parteivorsitzende und damit automatisch Kanzlerkandidatin auf dem Parteitag im Dezember 2012 mit 98% der Delegiertenstimmen. Damit es nicht langweilig wird auch hier ein Filmchen:
- “Die Grünen” haben erstmalig ihre Spitzenkandidaten per Urwahl von ihren Mitgliedern bestimmen lassen. Dabei wurde ein “Spitzenduo” bestimmt, bestehend aus einem Mann und einer Frau. Gewonnen haben Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin unter 15 angetretenen Kandidaten. Zu den Wahlmodalitäten:
-
Die Wählerinnen und Wähler konnten bei der Urwahl maximal zwei Stimmen vergeben. An zwei Frauen, an eine Frau und einen Mann oder auch nur an eine Person. Würden alle Wähler ihre zwei Stimmen verteilen, wäre die Summe die prozentualen Ergebnisse 200 Prozent. Deswegen ist es auch möglich, dass bei den weiblichen Kandidatinnen mehr als 100 Prozent der Stimmen anfallen. Die insgesamt an 200 Prozent fehlenden Stimmen ergeben sich aufgrund der Möglichkeit der Enthaltung, der „Nein“-Stimme oder weil nur eine Stimme von zwei Stimmen vergeben wurde.
- “Die Linke” hat ihre Spitzenkandidaten vom Parteivorstand bestimmen lassen. Dieser entschied sich dafür, mit einem Team aus acht Personen in den Wahlkampf zu ziehen
Damit sollte ich die Parteien mit Aussicht auf Einzug in den neuen Bundestag abgedeckt habe, oder ….oh nein, ich vergaß:
- Die FDP hat gerade heute am 10.3. 2013, auf ihrem Bundesparteitag ihren Spitzenkandidaten “per Akklamation” gewählt (gewählt ist da nicht der richtige Ausdruck, ich musste erstmal googeln, was denn Akklamation überhaupt bedeutet): Rainer Brüderle soll es machen – nach monatelangem Führungsstreit innerhalb der FDP wurden Parteivorsitz und Spitzenkandidatur getrennt besetzt.
Also mal zusammengefasst: die Kanzler- oder Spitzenkandidaten der deutschen Parteien werden auf unterschiedliche Weise von den Parteimitgliedern bestimmt – in der Regel auf Parteitagen, aber auch per Urwahl. Es gibt dabei nicht zwangsläufig nur einen Kandidaten pro Partei.
Mir sind die “Vorwahlen” nach deutscher Art lieber als die amerikanischen Monstershows. Aber schaut man sich das Vorgehen an, findet man auch hier viel Show und wenig Inhalte. Ich hab schon meine Gründe, zutiefst skeptisch gegenüber jeglicher Partei zu sein.
So wie die Kandidaten also in ihren Parteien verwurzelt sein müssen, sonst werden sie eben gar nicht zu solchen, sind später im Bundestag die Abgeordneten von ihrer Partei abhängig, wenn es um Sitze in Ausschüssen, Redezeit usw. geht. Genauso wie sie in der Regel bei Abstimmungen dem Fraktionszwang unterliegen, obwohl sie laut Grundgesetz nur ihrem Gewissen verpflichtet sind. Praktisch würde ein häufig abweichendes Abstimmungsverhalten dazu führen, dass sie als Kandidaten für den Bundestag nicht mehr auf den Listen ihrer Partei aufgestellt würden, schon gar nicht natürlich als Direktkandidaten. Das erwähne ich hier, um die starke Verflechtung zwischen Regierung und Parlament in Deutschland zu dokumentieren, denn das ist nun wieder ein großer Unterschied zum dritten Land, das ich hier besprechen will, Iran.
Aber zunächst noch der Punkt “Wahlkampf” und natürlich die Finanzierung dessen. Mit der beschriebenen Kandidatenkür wird der Wahlkampf von den Parteien eingeläutet und die Ziele der Parteien/Kandidaten umrissen. In der Regel folgen dann die Wahlprogramme, diverse Wahlkampfveranstaltungen quer durch die Republik mit Auftritten der Spitzenkandidaten, Bemühung um möglichst viel Präsenz in der Berichterstattung der Massenmedien, “Straßenwahlkampf” mit Verteilung und Zusendung von Werbematerial der Parteien und Plakatierung, Wahlkampfspots in öffentlich-rechtlichen Medien zu deren Ausstrahlung diese verpflichtet sind und – abgeguckt von den Amerikanern – gab es im Bundestagswahlkampf 2009 auch erstmalig “Fernsehduelle”. Anzuschauen in 10 Teilen auf Youtube. Ob das dieses Jahr wieder stattfinden wird ist noch unklar – die Kanzlerin soll nicht begeistert sein, kann sich aber schlecht drücken. Inzwischen spielt natürlich auch das Internet eine große Rolle im Wahlkampf.
Wie sieht es mit der Finanzierung aus? Müssen deutsche Kandidaten auch Meister im Geldeintreiben sein? Zunächst einmal finanzieren die Parteien ihren eigenen Wahlkampf und damit auch den ihrer Spitzenkandidaten. Und die Parteien wiederum unterliegen bei ihrer Finanzierung dem Parteiengesetz. Sie erhalten Mitgliedsbeiträge, Spenden von natürlichen und juristischen Personen und staatliche Zuschüsse, auch als sogenannte Wahlkampfkostenerstattung je nach erhaltenen Stimmen. Wenn man sich auf wikipedia die Gesamtsummen anschaut, ist das schon fast sympathisch im Vergleich zum US-Wahnsinn, auch wenn ich persönlich von den Plakatfluten ohne Aussage vor Wahlen genervt bin. Der Bund der Steuerzahler hat die Gesamtkosten des Bundestagswahlkampfes 2009 auf 62 Millionen Euro beziffert . Im Vergleich der Bevölkerungszahlen – 308 Millionen US-Bürger gegenüber Deutschland mit knapp 82 Millionen – zeigt sich erst recht, wie irrsinnig die US-Wahlkampfausgaben sind. Sagen wir mal, es gibt großzügig gerechnet viermal soviel US- wie deutsche Bürger: der US Wahlkampf hat aber hundert Mal soviel gekostet!
Obwohl Parteien in Deutschland Spenden in unbegrenzter Höhe erhalten dürfen, ist doch der Anteil an den Gesamteinnahmen der Parteien so zwischen 8-knapp 30%. Ob das alles korrekt angegeben wird? Spendenskandale der Vergangenheit stimmen misstrauisch.
Ich hoffe jedenfalls, dass wir in Deutschland nicht auch im Bereich des Wahlkampfes eine zunehmende Amerikanisierung erleben werden, wie in so vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen.
Aber kommen wir nun zum dritten Land, dass ich hier unter den Gesichtspunkten des Wahlkampfes beleuchten will. Die Islamische Republik Iran.
Dass ich große Sympathien für dieses Land habe ist ja meinen Lesern bekannt. Dass es wenig Wissen und viele Vorurteile gibt, ist mir bekannt. Natürlich gibt es auch viel zu kritisieren, aber wie ich immer sage: Kritik kommt unter gleichberechtigten Freunden am besten an und wer austeilt, muss auch einstecken könne. Die Bereitschaft, Iran als gleichgestellt zu betrachten und ebenso diejenige, auch mal Kritik aus Richtung Iran anzunehmen ist leider völlig unterentwickelt.
Aber ich versuche hier ja, mit nicht all zu viel Wertung und nur kleinen ironischen Ausflügen, die Systeme zu vergleichen.
Das staatliche, bzw. Regierungssystem Irans ist für Westeuropäer natürlich verwirrend, da es theokratische und demokratische Elemente verbindet. Es ist aber durchaus nicht so, dass Iran aus einem monolithischen Machtkomplex besteht, sondern es hat mehrere Machtzentren. Und – im Unterschied zu Deutschland, aber erstaunlicherweise in manchen Punkten den USA nicht unähnlich, gibt es in Iran eine Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung. Über allem steht jedoch das System des Wilayat-ul-Faqih, die “Statthalterschaft der Rechtsgelehrten”, was bedeutet dass das letzte Wort in allen Angelegenheiten das religiöse Staatsoberhaupt (seit 1989 Imam Chamenei) hat, das sich als Statthalter des wahren Staatsoberhauptes, des verborgenen Imam Mahdi, a.s. versteht. Befremdend für säkulare “Westler”, aber wenn man sich damit nicht unvoreingenommen auseinandersetzen will (s.auch hier), kann man auch erst mal einfach die realpolitischen Gegebenheiten betrachten.
D.h. konkret, dass der Präsident nicht vom Parlament, sondern direkt vom Volk gewählt wird und dass er auch sein Kabinett persönlich bestimmt, das allerdings vom Parlament bestätigt werden muss. Nicht nur der Präsident, sondern auch das Parlament kann ggf. auch Minister absetzen, kürzlich erging es dem Arbeitsminister so – in der Vergangenheit wurde auch schon mal ein Minister wegen eines gefälschten Doktortitels vom Parlament abgesetzt. Eine Möglichkeit, die Deutschlands Abgeordnete nicht haben, wie wir aus den kürzlichen Skandalen wissen. Präsident und Parlament sind weitgehend unabhängig voneinander – wobei natürlich der Präsident sowohl Unterstützer als auch Gegner im Parlament hat. Er hat aber, anders als in Deutschland, nicht die Möglichkeit Druck auf Abgeordnete auszuüben, da deren Wiederwahl oder die Besetzung von Posten nicht durch den Präsidenten beeinflusst werden können.
Es gibt übrigens auch keinen Fraktionszwang im iranischen Parlament, da alle Abgeordneten persönlich gewählt werden und nicht über Parteien in das Parlament einziehen. Das ist etwas das ich sehr bemerkenswert und positiv finde! Es finden sich natürlich Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die auch als “Fraktionen” ( z.B. die “Reformer” oder die “Prinziplisten”), die bezeichnet werden – diese sind aber keineswegs so festgefügt wie hiesige Parteien. Parteien gibt es auch in Iran, allerdings sind diese von untergeordneter Bedeutung und man kann ohne Probleme in mehreren Mitglied sein. Entsprechend ist auch das Abstimmungsverhalten im iranischen Parlament nicht so absehbar wie hier. Es geht in diesem Artikel zwar eigentlich um den Wahlkampf des Präsidenten, aber ich finde diesen Augenzeugenbericht zum Parlamentswahlkampf trotzdem sehr interessant – und schließlich gehören ja in Deutschland die Bundestagswahl und die Wahl des Regierungschefs zusammen, also passt das doch.
Die Machtbefugnisse des iranischen Präsidenten sind also viel geringer als man ihm im Westen gemeinhin zuschreibt. Die Legislative liegt beim Parlament, der Präsident repräsentiert die Exekutive, muss also die Gesetze die das Parlament beschließt umsetzen, ohne direkten Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen zu können. Das bringt natürlich in der Praxis Konflikte mit sich, die dann in der westlichen Presse genüsslich als “Machtkampf” bezeichnet werden. Natürlich ist die Bezeichnung nicht ganz falsch, allerdings steckt hier immer die Idee dahinter, dass sich das iranische System gerade selber zerstört. Dabei ist diese Gewaltenteilung und die daraus resultierenden Auseinandersetzungen systemimmanent. Die Art und Weise wie Konflikte zwischen Regierung und Parlament ausgetragen werden, ist allerdings nicht immer von gutem islamischem Geist und Benehmen geprägt, so dass das Staatsoberhaupt hier schon mehrfach zur Mäßigung aufgerufen hat. Gestaltungsmöglichkeiten hat der Präsident durch seine Befugnisse im Bereich der nationalen Planung und Haushaltkompetenz, alles immer in Verantwortung vor dem Volk, dem Staatsoberhaupt und dem Parlament.
Aus dieser Grafik kann man ganz gut ersehen, wie das System funktioniert:
Zum Verständnis braucht es noch die Erwähnung der Funktionen von Wächterrat – dem Verfassungsgericht Irans und des Schlichtungsrates, der bei Konflikten zwischen Wächterrat und Parlament über die Verfassungskonformität von Gesetzen hinzugezogen wird.
Weiter zum Thema “Kandidatenkür und Wahlkampf”. Es ergibt sich aus den geschilderten Bedingungen, dass sich Kandidaten für das Präsidentenamt selber benennen können und nicht durch eine Partei oder Gruppierung bestimmt werden. Auch hier kommt es natürlich in der Praxis dazu, dass Parteien oder Gruppen Kandidaten benennen. Aktuell ist es so, dass z.B. die “Reformer” in Iran in Gestalt zweier reformorientierter Parteien, den ehemaligen Präsidenten Chatami zu ihrem Wunschkandidaten ernannt haben, noch bevor dieser sich entschieden hat, ob er kandidieren will.
Gerade hat der iranische Wächterrat eine Wahlrechtsreform genehmigt, die vom Parlament eingereicht wurde. Allerdings sind von ursprünglich 94 beantragten Änderungen nur 21 genehmigt worden. Das Parlament hatte einige Anforderungen an Präsidentschaftskandidaten ändern wollen, was der Wächterrat nicht genehmigt hat. So bleiben die Anforderungen an die Kandidaten so, wie sie schon in der Verfassung der iranischen Republik Iran niedergeschrieben sind:
Nach dem neuen Gesetz muss ein Kandidat für das Präsidentenamt:
- Eine religiöse Persönlichkeit mit politischem Interesse sein
- Iranischer Herkunft und iranischer Bürger sein
- Führungs- und Managementfähigkeiten besitzen
- Von gutem Ruf, Vertrauenswürdigkeit und Frömmigkeit sein
- Treu zum Islam und zu den Grundlagen der Islamischen Republik Iran stehen
Überprüft werden diese Kriterien ebenfalls vom Wächterrat, das ist eine seiner ureigendsten Aufgaben. Die offizielle Registrierung der Kandidaten wird demnach ab dem 7.Mai erfolgen, wenn die Zulassung der Bewerber durch den Wächterrat abgeschlossen ist. Einige Bewerbungen sind schon bekannt geworden, im Wikipedia Artikel zu den iranischen Präsidentschaftswahlen 2013 werden diese Informationen aktualisiert.
Einen wesentlichen Unterschied zu den anderen besprochenen Staaten sehen wir in diesem Punkt: die persönliche Eignung und die Verfassungstreue der Kandidaten werden einer strengen Prüfung unterzogen. In unseren Medien wird das als Unterdrückung gegeißelt – ich würde mir wünschen, dass an unsere Kanzlerkandidaten ähnlich strenge Maßstäbe angelegt werden. Reichtum ist jedenfalls kein Kriterium für die Zulassung oder gar den Wahlerfolg iranischer Präsidentschaftskandidaten.
Leider ist es nicht so einfach, Informationen über den Wahlkampf in Iran zu finden, jedenfalls nicht in Deutsch oder Englisch. Nach der Wahlrechtsreform darf es keine “Rededuelle” der Kandidaten im staatlichen Fernsehen mehr geben – diese amerikanische Mode war im letzten Präsidentschaftswahlkampf nach Iran übergeschwappt. Ich weiß allerdings nicht, wie es mit nichtstaatlichen Sendern aussieht. Auch Werbung der Kandidaten im staatlichen Fernsehen muss durch den neu geschaffenen Wahlausschuss genehmigt werden. Leider behindert auch die Zensur iranischer Sender durch europäische Satellitenbetreiber, dass wir hier ein lebendigeres Bild vom iranischen Geschehen vor der Wahl bekommen. Dafür wärmen sich die westlichen Medien jetzt schon auf für eine weitere Runde “Wahlfälschung” , wie 2009, als sie die Wiederwahl Ahmadinejads als gefälscht bezeichneten – eine Beschuldigung ohne Substanz.
Wie im obigen Artikel über die Parlamentswahlen in Iran beschrieben wird, ist der Wahlerfolg dort von vielen Gesprächen der Kandidaten in ihren Wahlkreisen abhängig. Ein Präsidentschaftskandidat in Iran kann natürlich nicht überall Klinken putzen gehen, also werden wohl auch hier die Medien eine größere Rolle dabei spielen, die Ansichten der Kandidaten zu verbreiten. Der offenen Wahlkampf wird jedenfalls kurz sein – da die Zulassung der Kandidaten erst am 7. Mai erfolgt, die Wahl aber schon am 14. Juni stattfindet.
Auch das ist nicht unbedingt ein Nachteil: lautes Wahlkampfgetöse ist wie wir gesehen haben, nicht unbedingt informativ. Die potentiellen Kandidaten in Iran punkten also vermutlich viel mehr über das, was sie über lange Jahre getan und gesagt haben.
Und hier höre ich erst mal auf – der Artikel ist ja sowieso so schon sehr lang geworden. Wenn ich Interessantes zum iranischen Wahlkampf finde, werde ich das ergänzen.