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Buchbesprechung: „Was mir zusteht“ von Parinoush Saniee

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Buchbesprechung: „Was mir zusteht“ von Parinoush Saniee

Bismillahir rahmanir rahim

Dieses Buch ist mir in der Bibliothek begegnet und natürlich gleich in meinen Korb gewandert. Schließlich findet man nicht so viel moderne Literatur aus Iran bei uns – und wenn, dann ist es explizit „regime“kritisch. Aber das schien mir hier nicht der Fall zu sein: die Geschichte einer Frau, aufgewachsen in der Schah-Zeit, erwachsen geworden in der Revolution, Ehefrau und Mutter in der Islamischen Republik.

Masumeh ist die zunächst einzige überlebende Tochter ihrer Familie (später bekommt sie noch eine kleine Schwester)  und hat drei Brüder, zwei ältere, einen jüngeren. Ihre Familie ist patriarchalisch geprägt und Mädchen zählen nicht viel, nicht bei den Brüdern, nicht bei der Mutter und auch wenn der Vater sie liebt, kann er das kaum zeigen. Ihn plagt das schlechte Gewissen, weil man Masumehs Schwester sterben ließ und keinen Arzt holte, als sie krank war – Mädchen passiert schon nichts.

Zunächst wächst Masumeh in der heiligen Stadt Qom auf. Dann zieht die Familie nach Teheran, trotz der Bedenken der frommen Verwandtschaft, die die Großstadt geradezu für einen Sündenpfuhl hält. Masumeh erstreitet sich von Jahr zu Jahr den Schulbesuch neu, obwohl sie doch längst heiraten könnte. Aber ihre Zeugnisse sind soviel besser als die der Brüder, dass der Vater es erlaubt. Dafür muss sich sich viele Quälereien ihrer Brüder gefallen lassen. Sie findet eine „beste Freundin“, die bei ihr zu Hause aber nicht sehr erwünscht ist, da ihre Familie so ganz anders lebt und schließlich, mit 15 Jahren verliebt sich Masumeh in den Apothekergehilfen und Studenten Saeid.

Masumeh ist ein gläubiges Mädchen, aber wie der Roman es schildert, ist ihre Familie mehr von Traditionen geprägt als von der Religion und es zählt die Familienehre und was die Leute denken, nicht was der Islam verlangt. Sie hat nichts Schlimmeres angestellt, als Briefchen mit Saeid zu tauschen und kurze Worte zu wechseln, als ihre Brüder hinter diese Verliebtheit kommen und für Masumeh die Hölle losbricht. Ihr Bruder Ahmad, der selber eine ehebrecherische Beziehung unterhält, verletzt Saeid mit dem Messer, Masumeh wird bewußtlos geprügelt. Saeid, der durchaus ehrbare Absichten hatte, sich nur noch nicht in die „Höhle des Löwen“ getraut hatte, verlässt die Stadt. Und Masumeh, deren Brüder den Vater unter Druck setzen, soll schleunigst verheiratet werden. Mahmud, der älteste Bruder, schlägt einen sehr viel älteren und unsympathischen Metzger vor – aber die Nachbarin und Geliebte Ahmads, Parvaneh, vermittelt Hamid, einen jüngeren Mann, Jurastudenten,  der in der Druckerei des Vaters arbeitet. Schließlich wird der für akzeptabel befunden und in aller Eile die Hochzeit gefeiert.

In der neuen ehelichen Wohnung angekommen, stellt Masumeh fest, dass Hamid auch mehr oder weniger gezwungen wurde zu heiraten. Er will im Grunde nur seine Ruhe haben, um seinen politischen, kommunistischen,  Aktivitäten im Untergrund nachzugehen. Nun ist seine Familie beruhigt und drängt ihn nicht mehr, eine Familie zu gründen. Masumeh hat es auf der einen Seite gut getroffen, ist sie doch jetzt eine verheiratete Frau und ihre Familie hat keine Macht mehr über sie. Andererseits stellt sich heraus, dass sie sehr einsam sein wird, ist doch Hamid fast nie anwesend. Er zwingt sie zu nichts, aber sie nähern sich doch an und mögen sich. Aber obwohl sie seine ganze Bibliothek durchliest, einschließlich seiner juristischen Fachliteratur, nimmt er sie nicht wirklich ernst. Er will nicht, dass sie über seine politische Arbeit Bescheid weiß, um sie nicht zu gefährden, also erfährt sie davon nur wenig. Sie hat viele Freiheiten, aber wenn sie ihren Glauben praktiziert, ist ihm das sehr peinlich. Die führende Aktivistin seiner Gruppe weiß Masumeh mehr zu schätzen als ihr Mann. Immer wieder verschwindet Hamid für Wochen und lässt sie im Ungewissen und mit finanziellen Nöten zurück. Ihre Schulfreundin ist ins Ausland gegangen und zu ihrer Familie hat sie wenig Kontakt. Hamids Familie macht ihr Vorwürfe, dass sie ihn nicht halten könne. Als der erste Sohn geboren wird stirbt Masumeh beinahe, weil niemand da ist, ihr zu helfen. Als der zweite Sohn kommt, ist Hamid zornig, denn er will die Verantwortung nicht. Die Revolution geht vor. Selten gibt es Gemeinsamkeiten und schließlich geschieht auch das Schlimmste und Hamid wird verhaftet, gefoltert und bleibt Jahre im Gefängnis. Dabei hat er noch Glück gehabt, denn er Rest seiner Gruppe wird bei einem missglückten Anschlag getötet.

Masumeh muss sich durchschlagen und schafft das auch. Obwohl es schwierig ist als Frau eines politischen Gefangenen, findet sie Arbeit, versucht nebenher zu studieren und erzieht ihre Kinder alleine. Schließlich kommt Hamid frei und bald danach wird der Schah gestürzt. Aufbruchstimmung im Land, aber auch neue Konflikte und Enttäuschungen – und auch Terroranschläge. Schließlich wird Hamid erneut verhaftet und hingerichtet. Dann beginnt auch noch der Krieg gegen den Irak.

Neben ihren Existenz- und Alltagssorgen: sie verliert ihren Arbeitsplatz, der Krieg wirkt sich auf die wirtschaftliche Lage aus, muss Masumeh jetzt noch mehr um ihre Kinder kämpfen. Der Ältere, Siamak, ist zutiefst erschüttert und wütend über das was seinem Vater zugestoßen ist und schließt sich den Volksmudschaheddin an(eine Terrorgruppe mit einer pseudoreligiösen/kommunistischen Ideologie). Gerade noch kann sie ihn vor einer Gefängnisstrafe bewahren. Sie schafft es, dass er ins Ausland gehen kann, wo er zur Vernunft kommt. Der Jüngere, Masuud, verliert jedes Interesse an seinen künstlerischen Aktivitäten. Er geht sobald wie möglich an die Front, gerät in Gefangenschaft, kommt aber fast unversehrt zurück. Und Shirin, ihre Tochter soll studieren wie die Brüder.

Alles macht Masumeh möglich. Am Ende des Romans ist sie Anfang 50, allen geht es nach einigen Schwernissen gut. Mit der Familie herrscht Frieden, der Bruder Ahmad ist drogensüchtig gestorben, Mahmud als heuchlerischer Pseudofrommer hat sich etabliert, ebenso Ali. Masumeh lebt in geordneten Verhältnissen, die Kinder sind verheiratet, sie ist Großmutter. Da taucht ihr alte Schulfreundin Parvaneh zu einem ihrer seltenen Besuche auf und erzählt, dass sie Saeid getroffen hat….

Ich erzähle jetzt nicht den Ausgang der Geschichte, das wäre gemein. Denn bei allem Zeigeschehen ist es ja doch auch eine Liebesgeschichte.

—-

Ja, was soll ich dazu sagen: ich hab das Buch verschlungen, mich interessiert nun mal alles rund um Iran und eine Geschichte in Romanform, die aber die ganzen Geschehnisse der Revolution und danach umfasst, die kann ich nicht liegenlassen. Und das darf auch sehr gerne persönliche Geschichte umfassen, Liebe, Familie und was das Herz berührt.

Und ich war auch berührt und bin trotzdem enttäuscht. Der Erzählstil gefiel mir nicht so recht. Es muss nicht furchtbar blumig und verschnörkelt sein, wie man es vielleicht von den poetischen Iranern erwartet. Aber die handelnden Personen blieben zum größten Teil und die meiste Zeit irgendwie blutleer. Es ist mehr eine Schilderung des Ablaufs, als eine fesselnde Beschreibung der Persönlichkeiten und ihrer Entwicklung. Interessant war es trotzdem und natürlich fließen auch mal Tränen, bei diesen dramatischen Ereignissen. Aber selbst Masumeh habe ich nicht richtig kennen gelernt.

Klar, sie ist eine Kämpferin um ihre Rechte und um ihre Familie. Und sie verliert ihren Glauben nie. Und trotzdem: auch wenn sie in der Not, oder aus Dankbarkeit die heiligen Stätten aufsucht, von Fatima Masume a.s. in Qom, oder Imam Ridha a.s.in Mashad – was das für sie bedeutet, kam bei mir nicht an. Sicher ist sie gläubiger als ihr heuchlerischer Bruder, oder ihre tradtionsbesessene Mutter – aber ich spürte das nicht.

Ebensowenig vermittelte die Autorin mir die revolutionäre Aufbruchstimmung – das spielt sich irgendwie „draußen“ ab, außerhalb von Masumehs Wohnung in der sie festsitzt. Aber auch an ihrem Arbeitsplatz wird nicht recht klar, worum die Gesellschaft streitet.

Also es ist alles irgendwie blass. Vielleicht stört mich das, weil ich ja doch eher mit Leidenschaft für den Islam und auch für Iran streite.

In Iran war das Buch ein großer Erfolg, wenn es wohl auch Mühe gekostet hat, die Veröffentlichung umzusetzen. Natürlich kommt der Klappentext nicht ohne Hinweis darauf aus, dass „Nachdrucke immer wieder verhindert“ wurden. Ich hab mal ein bisschen gegoogelt: inzwischen ist dort die 21. Auflage erschienen. Da kann man nicht von Zensur sprechen. Ich glaube nicht, dass der Stil des Buches davon geprägt ist, dass die Autorin die Veröffentlichung möglich machen wollte. Vermutlich ist sie einfach keine tolle Schriftstellerin. Dass den Behörden vielleicht die Schilderungen von Drogensucht und außerehelichen Beziehungen nicht so gefallen haben kann ich mir vorstellen, aber es gibt sicherlich viel kritischere Romane in Iran. Hier wird die Islamische Republik weder gelobt, noch verdammt. Die Menschen leben eben dort und man erfährt, dass sie ganz normal leben, normal für ihre Kultur natürlich, die eine andere ist als unsere.

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Parinoush Saniee

Was mir zusteht
Roman

Originaltitel: Quello che mi spetta
Aus dem Italienischen von Bettina Friedrich

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 480 Seiten, 13,5 x 21,5 cm
ISBN: 978-3-8135-0524-5
€ 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 28,50* (* empf. VK-Preis)

Rezension in der TAZ: http://www.taz.de/!119952/

Verlag: Knaus

Buchbesprechung: „Du sollst nicht töten“ von Jürgen Todenhöfer

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Buchbesprechung: „Du sollst nicht töten“ von Jürgen Todenhöfer

Bismillahir rahmanir rahim

Die meisten unserer Politiker haben einfach Angst. Sie sind nicht bereit, auch nur einen Bruchteil der Gefahren auf sich zu nehmen, die sie unseren Soldaten täglich zumuten. Wir sollten wirklich alle Politiker die für Krieg eintreten vier Wochen in Kampfgebiete schicken. Zu Patrouillenfahrten. Ohne BKA-Schutz. Es würde keine Kriege mehr geben. (J.T.)

Wer in Deutschland für Frieden überall auf der Welt eintritt, der wird beschimpft, lächerlich gemacht und mit dem Tode bedroht. Jürgen Todenhöfer der wohl erste CDU-Politiker über den ich etwas Positives zu sagen habe (neben vielem anderen bewundere ich auch seine Wandlung vom „Falken“ zur „Taube“), muss diese Erfahrung machen, nachdem er sein Buch „Du sollst nicht töten“ herausgebracht hat.

Die mainstream-Medien beschreiben ihn häufig (gelegentlich lässt man ihn auch zu Worte kommen, einige links weiter unten) in einem süffisanten Ton als größenwahnsinnigen Besserwisser, der sich doch tatsächlich dem gängigen Kriegstreibertum widersetzt, ja gar den Anspruch hat, von der UN als Sonderbotschafter für Syrien eingesetzt zu werden. Noch widerlicher ist es, wenn er am Eingang seiner Stiftung einen professionell geknüpften Galgen vorfindet, oder Botschaften wie „Tod dem Höfer“ oder den Wunsch, es möge ihn endlich ein Talib in die Luft sprengen, wie er auf seiner Facebook-Seite berichtet. Es muss eine Menge Leute geben, die ein Mensch der konsequent für den Frieden eintritt rasend macht.

Ganz sicher lässt sich Jürgen Todenhöfer von so etwas nicht einschüchtern, nachdem er die Dinge erlebt hat, die er diesem neuesten Buch beschreibt. Eingerahmt werden die Berichte aus den Kriegs- und Revolutionsgebieten Libyen, Syrien, Afghanistan, Ägypten, Irak, Palästina, Iran und, ja auch Deutschland – von einem traumatischen Ereignis: im März 2011 ist Todenhöfer mit seinen Begleitern, seiner jungen Fotografin Julia, einem Mitfahrer namens Yussuf und seinem Freund, Gastgeber und Führer Abdul Latif in Libyen unterwegs. Sie wollen nach Brega, als sie unter stundenlangen Beschuss von Regierungstruppen geraten. Abdul Latif wird dabei getroffen und während die anderen stundenlang in den Dünen der libyschen Wüste in Deckung gehen und nicht wissen, ob sie lebend dort herauskommen, wissen sie nicht was mit diesem freundlichen Mann geschehen ist.

Abdul Latif ist tot – wie er genau gestorben ist, klärt sich erst viele Monate später, als Jürgen Todenhöfer noch einmal mit seiner Begleiterin an den Ort des Dramas zurückkehren kann und auch mit der Familie Abdul Latifs ausgiebig die Geschehnisse verarbeitet.

Wie es sich anfühlt, wenn man tatsächlich in eine solche Kriegssituation gerät, kann man sich nach der Lektüre dieser Geschehnisse ein bisschen besser vorstellen. Und ich möchte jetzt noch viel mehr als vorher allen denen die immer so „heldenhaft“ von deutschen Sofas oder Fernsehstudios aus für „humanitäre Bombardements“ eintreten empfehlen, sich genau solchen Situationen mal auszusetzen, bevor sie dafür plädieren, mit Waffengewalt mal eben die Probleme aus dem Weg zu räumen. Das tut auch Jürgen Todenhöfer.

Todenhöfer ist ein Kriegskind und als solches hat er die Zerstörung seiner Heimatstadt Hanau durch amerikanische Bomber erlebt. Schon damals hat er gefragt, ob man denn im Krieg Kinder töten dürfe. Als Student ging er den Berichten über den algerischen Widerstand nach und erlebte, wie grausam die französische Kolonialmacht den Aufstand bekämpfte. Das hat sein Interesse an der arabischen Welt geweckt, die ja unter den Folgen des Kolonialismus immer noch leidet. In Mosambik erlebt er sowohl die Auswirkungen des portugiesischen Kolonialismus, als auch die Grausamkeit der Rebellen gegen ihre eigenen Landsleute. Schon damals macht er sich in alle Richtungen unbeliebt, weil er keinen schont.  Vielleicht sind seine Kindheitserlebnisse der Grund dafür, dass er sich so vehement für friedliche Lösungen von Konflikten einsetzt und dafür, das Leid vieler Betroffener zu mildern. Immer wieder fallen in seinem Buch Nebensätze zur Unterstützung die er einzelnen Personen oder Familien leistet. Was mich aber ganz besonders angerührt hat ist, dass er 30 Waisenkindern von Kunduz ein Zuhause gegeben hat. Es ist so beschämend, dass in Deutschland der Mörder von Kunduz, damals Oberst, jetzt General Klein, befördert wird, während es noch nicht einmal eine Entschuldigung an die Opfer dieses Angriffs auf Zivilpersonen gegeben hat. Der damalige Oberst Klein hat, wie Todenhöfer beschreibt, Bildmaterial vom späteren Tatort gehabt, sprich, er konnte sehen dass Kinder und erwachsene Dorfbewohner mit ihren Benzinkanistern die liegengebliebenen Tanklaster aufsuchten um Benzin zu ergattern. Er gab trotzdem den Befehl zum Angriff. Ausdrücklich befahl er den Piloten, die Menschen und nicht die LKWs zu treffen. Wie kann es sein, dass ein Massenmörder nicht bestraft wird? In diesem Buch kommen die Hinterbliebenen von Kunduz zu Wort.  Zum Beispiel der damals achtunddreißigjährige Bauer Abdul Hannan. Er schlief in jener Nacht so fest, dass er die Rufe der Nachbarn: „Freibenzin“ nicht hörte. Seine Frau wollte den hart arbeitenden Mann nicht wecken und schickte darum ihre beiden Söhne und den Neffen der zu Besuch war, Benzin zu holen. Abdul Hannan berichtet:

Meine Frau wollte mich nicht wecken, weil ich immer früh raus muss. Also hat sie vorsichtig die Kinder wachgerüttelt und ihnen gesagt, sie sollten wie die anderen Freibenzin holen. Die Tanklastwagen waren ganz nahe von uns im Fluss stecken geblieben. Die Jungs sind mit ihren Behältern losgerannt. Am Fluss standen viele Menschen, alle mit Behältern in der Hand. Meine Kinder mussten sich hinten anstellen, weil sie so klein waren. Dann wurden die Bomben abgeworfen.

Morgens um fünf bin ich zum Fluss gegangen und habe die Kinder abgeholt. Nur ihre Rümpfe waren übrig geblieben. Die Gliedmaßen fehlten. Ich habe sie in einem Sammelgrab im Dorf beerdigt. Mein Schmerz ist unerträglich. Auch heute noch. Die Deutschen haben mir 5000 Dollar gegeben. Für drei Kinder. Wenn sie wollen, können sie das Geld wiederhaben.

Um 3:13 Uhr in jener Nacht meldete das „Wiederaufbauteam“ (!!!) Kunduz seinem Regionalkommando man habe 54 Aufständische getötet. Verluste unter Zivilisten habe es keine gegeben.

Todenhöfer gibt den Opfern des westlichen „Kriegs gegen den Terror“ ein Gesicht und eine seiner großen Stärken ist, dass er auf alle Leute zugeht – ob es sich nun um Staatspräsidenten wie Karsai oder Assad handelt, oder um Rebellen oder um Soldaten oder Mitarbeiter und Anhänger von meist geschmähten Staatschefs.

Er schaut sehr genau hin in den Ländern der „Arabellion“. Und wenn es ihn manchmal ein wenig mitreißt im Taumel des Freiheitskampfes, dann scheut er sich aber auch nicht, die Schattenseiten zu zeigen, „Massaker Marketing“ syrischer Rebellen und der Auslandsoppositon, hier besonders die berüchtigte „Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ in England, gewalttätige libysche Sieger die einen Mann wegen seiner guten Kleidung misshandeln, das Morden an syrischen Zivilisten verübt von „Rebellen“.  Oder wenn er sehr genau beobachtet, wie in Syrien schon ganz zu Anfang der Proteste ausländische Medien wie Al Dschasira Einfluss nehmen und die sogenannten Revolutionäre ihre Berichte so aufbereiten, dass sie möglichst gut wegkommen, während wundersamerweise auch die Bewaffnung dieser Leute ganz frühzeitig beginnt. Wozu das geführt hat, wissen wir: was als berechtigter Protest einer Minderheit der syrischen Bevölkerung begonnen hat, wurde mit Hilfe von „Agents Provocateurs“ (Scharfschützen die auf alles schossen was sich bewegte), einer haarsträubenden Desinformationspolitik die Todenhöfer beschreibt, über die massive Bewaffnung und „islamistische“ Unterstützung aus dem Ausland zu der großen syrischen Katastrophe vor der wir jetzt mit Entsetzen stehen.

Ich vermute dass die Feindseligkeit die Todenhöfer wegen seiner Versuche die syrische Situation objektiv zu beleuchten und wegen seiner ausführlichen Gespräche die er mit Präsident Assad führte, wohl die größte in seiner Laufbahn ist. Er beschreibt ausführlich, auf welchen seltsamen Wegen er dazu kam, zum Präsidenten vorgelassen zu werden, seine Gespräche mit und seinen Eindruck von ihm und seine Bemühungen für eine friedliche Lösung. Dazu nutzt er seine langjährigen politischen Kontakte, aber wie wir wissen, ist das Interesse an einem Frieden in Syrien im Westen nicht groß. Auch Todenhöfer sagt, dass hier ein Stellvertreterkrieg gegen Iran im Gang ist.

Dass Todenhöfer die deutsche Politik für ihre Zurückhaltung lobt, kann ich nicht nachvollziehen. Sicher sind „wir“ nicht die ersten, die nach Bombardements schreien, haben wir auch im Fall von Libyen nicht getan. Allerdings sind wir als NATO-Mitglied immer beteiligt, stehen unsere Patriots in der Türkei, gewähren wir womöglich Start- oder Überflugrechte für US-Bomber, spionieren unsere Schiffe im Mittelmeer für die USA und Israel und nicht zuletzt stammen die Zutaten für das Giftgas das jetzt von der einen oder anderen Seite in Syrien eingesetzt wurde aus deutscher Produktion (dass ich es für unwahrscheinlich halte, dass Assad das eingesetzt haben soll ist bekannt. Wäre auch sinnlos.).

Apropos Iran: diesem Land ist ein weiteres Kapitel des Buches gewidmet. Jürgen Todenhöfer ist kein Fan des iranischen (jetzt Ex-) Präsidenten Ahmadinejad, dessen Rhetorik er verurteilt, aber er wehrt sich gegen die Dämonisierung des Landes und weist auf dessen Rechte hin, besonders was das Nuklearprogramm angeht. Wie die Dämonisierung eines auserwählten Feindes zur Kriegsvorbereitung dient, das beschreibt er auch noch an anderer Stelle ausführlich, im Kapitel zur „Droge Krieg“. Aber zurück zu Iran: auch hier beschreibt er die unterschiedlichsten Begegnungen, mit Geistlichen, mit der Witwe eines ermordeten Atomwissenschaftlers, mit jüdischen Bürgern – und seinen Vortrag vor Studenten einer elitären Diplomatenschule, deren Höflichkeit er mit heftiger Kritik an der offiziellen Haltung zum Holocaust und zum Existenzrecht Israels er auf die Probe gestellt hat. Mit Erfolg – denn anders als es Präsident Ahmadinejad in den USA erging, ließen die Studenten ihn ausreden. Bei aller Kritik die er an iranischer Politik übt, wehrt er sich dagegen, dass das Land verteufelt wird. Seinen politischen Einfluss macht er mehrfach geltend und versucht nachzuhelfen, dass es Gespräche zwischen Iran und den USA geben kann. Erfolglos, was mich nicht wundert. Allerdings scheint er mitgeholfen zu haben, dass die beiden inhaftierten „BILD“-Reporter freikamen.

Dass Todenhöfer allerdings die iranischen bürgerlichen Freiheiten daran bemisst, wie sehr die Kopftücher der jungen Frauen verrutscht sind, wie lebhaft diese flirten und wie vergnügt „Party gemacht“ wird, das begeistert mich nicht. Er hätte sicherlich auch gläubige junge Menschen finden können, die so gar nicht unterdrückt sind.

Die Berichte aus den genannten und anderen Ländern sind jeweils ganz persönliche über ganz unterschiedliche Begegnungen- Interviews mit Präsidenten, Kämpfern und Gefangenen und Erlebnisse – Besuche bei Hinterbliebenen, Aktivisten, Botschaftern, Geheimdienstlern usw. Diese Berichte werden ergänzt durch Überlegungen und Erläuterungen zur Entstehung von Kriegen, zur Propaganda, zur Frage ob es „gerechte Kriege“ gibt, zu dem was Kriege mit den Beteiligten machen (dazu gibt es auch einige erschreckende Berichte zu Persönlichkeitsveränderungen von Kämpfern verschiedener Seiten).  Dazu kommt, was er in den Zeiten die er nicht auf Reisen verbracht hat zu Hause nachrecherchiert und überprüft, sowie Berichte darüber, wie er seine unzähligen Kontakte nutzt, um Einfluss zu nehmen oder Gespräche zu führen (ganz sicher erfahren wir höchstens 10% von dem, was da so vor sich geht).

Das Buch ist sehr umfangreich und der Artikel wird zu lang, wenn ich noch viele Beispiele bringe, Ihr müsst es selber lesen – es ist absolut empfehlenswert. Es ist erschreckend, informativ, anrührend und manchmal auch zum Lächeln. Mich haben die vielen kleinen Begebenheiten sehr beeindruckt und die Art wie Jürgen Todenhöfer auf Menschen zugeht und bereit ist, sich alle Seiten anzuhören. Sein Fazit über die Rechtfertigung von Kriegen kann ich absolut teilen.

Krieg ist nur dann als eine Art übergesetzlicher Notstand „vertretbar“, wenn sechs Bedingungen erfüllt sind:

  1. Es liegt ein echter Verteidigungsfall vor.
  2. Alle politischen und diplomatischen Lösungen sind ernsthaft ausgeschöpft.
  3. Eine Abwägung der Rechtsgüter ergibt: Angesichts der gigantischen, epochalen Dimension der drohenden Katastrophe, bleibt kein anderer Ausweg als ausnahmsweise auch den Tod von Zivilisten, Frauen und Kindern in Kauf zu nehmen.
  4. Bei entsprechenden Katastrophen im eigenen Land würden wir der Polizei gegenüber unseren Landsleuten die gleichen Maßnahmen gestatten.
  5. Alle Notwehrexzesse werden vermieden. Es werden nur militärische Ziele angegriffen.
  6. Die Kriegsentscheider sind angesichts der Dramatik der drohenden Katastrophe alle bereit an vorderster Front mitzukämpfen oder eigene Kinder an die Front zu schicken. Ausnahmen von dieser Beteiligungspflicht gibt es nicht.

Und zuletzt muss ich noch meinen Respekt vor einem Menschen äußern, der sich bei allen diesen Erlebnissen und dem was er aus seiner politischen Arbeit mitgenommen hat, den Glauben an die Fähigkeit der Menschheit, ihre Konflikte auf andere Art zu lösen bewahrt hat.

Auf seiner Facebook-Seite gibt es Videos in denen er Passagen aus dem Buch liest.

Im Moment ist er viel unterwegs um das Buch vorzustellen, u.a. auch in der kommenden Woche, Termine vom 24.-26.9.:

– München: Dienstag, 16 –17 Uhr in der Pappenheimerstr. 13-14
– Berlin: Mittwoch, 16-17 Uhr in der Prinzenstr. 35
– Köln: Donnerstag, 16-17 Uhr in der Friedrich-Karlstraße – gegenüber der Einfahrt zum DuMont Verlag.

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Aus den Medien:

Interview mit Bashar al Assad in der ARD Teil 1

DAS! mit Jürgen Todenhöfer

ZDF-die Debatte

Jürgen Todenhöfer bei Anne Will – Besprechung in der WELT

Videosammlung auf der Homepage von Jürgen Todenhöfer

Buchbesprechung: Menschenbild im Heiligen Qur´an

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Bismillahir rahmanir rahim

Ich finde es ist an der Zeit, dass ich mich trotz aller Schrecken mal wieder mit dem beschäftige, worum es wirklich geht im Leben. Auch steht der heilige Monat Ramadan vor der Tür, auch das ist ein Hinweis darauf, dass es dringend nötig ist, mal wieder mehr nach innen zu schauen. Ich habe es vernachlässigt zu lesen – das wird sich inschaAllah jetzt mal wieder ändern, denn im Monat Ramadan will ja der Qur´an einmal durchgelesen werden.

Zum Einstieg lief mir ein Büchlein über den Weg:

b0072menschenbild Der Autor Dr. Ayatullah Reza Ramezani ist derzeit Leiter des Islamischen Zentrums in Hamburg und Mitglied der iranischen Expertenversammlung (http://www.eslam.de/begriffe/r/ramezani.htm).

Sein Buch über das Menschenbild im Heiligen Qur´an ist aus einer Reihe von Freitagsansprachen zusammengestellt. Es ist also nicht hoch wissenschaftlich und schwer zu verstehen, sondern eine Einführung in das Verständnis vom Menschen, seiner Veranlagung und seinen Aufgaben, auch geeignet für Nichtmuslime um einen Einblick in die islamische Gedankenwelt zu bekommen. Interessant ist, dass zu allen Bereichen auch die Meinungen verschiedener anderer Denkschulen und Religionen erwähnt werden. In die Tiefe kann dabei in diesem Format nicht gegangen werden, aber ich fand es interessant, einen kurzen Einblick in verschiedene philosophische Richtungen zu erhalten. Es versteht sich von selbst, dass das Buch mit vielen Qur´an-Zitaten versehen ist, die seine Erläuterungen belegen.

Das Buch beginnt mit der Schöpfungsgeschichte wie sie uns der Qur´an lehrt, und zwar sowohl mit der Schöpfung des menschlichen Körpers, als auch mit der des Geistes und macht deutlich, dass diese voneinander getrennte Dimensionen sind. Die Schöpfung Adams (a.) wird ebenso erklärt, wie die Unterschiede zwische dem christlichen und dem muslimischen Verständnis der Erschaffung Jesu´(a.).  Wie der heilige Qur´an lange vor der menschlichen wissenschaftlichen Erkenntnis dieser Tatsachen die embryonale Entwicklung beschreibt, finde ich immer wieder faszinierend.

Aber noch spannender sind die Kapitel über den menschlichen Geist und wie er das eigentliche Wesen/die Identität des Menschen ausmacht. Es folgen Ausführungen darüber, was die natürliche Veranlagung des Menschen ist, bzw. ob es eine solche überhaupt gibt. Was haben Mensch und Tier gemeinsam und was unterscheidet den Menschen vom Tier? Gibt es eine grundlegende Veranlagung, die allen Menschen gemein ist? Werden die Veranlagungen des Menschen durch Erziehung und Gesellschaft erworben, oder sind sie angeboren?

In den Kapiteln zu diesem Thema werden sowohl westliche philosophische Schulen wie die Existenzialisten besprochen, als auch wesentliche Unterschiede vom muslimischen zum christlichen Menschenbild. Denn – Muslimen ist das natürlich bekannt – der       Qur´an lehrt uns, dass es eine natürliche Veranlagung des Menschen zum Guten gibt, zum Streben nach

„Wissen, Wahrheit, Tugend, Vollkommenheit, Schönheit, Ewigkeit und Anbetung“

Einer der größten Unterschiede zum Christentum, das ja davon ausgeht, dass der Mensch mit der größten Sünde beladen geboren wird.

Auch was die Existenzialisten gelehrt haben, die glaubten (oder glauben), dass die Existenz einer grundlegenden Veranlagung im Widerspruch zu menschlicher Freiheit stehen würde, wird kritisch betrachtet. Erwähnung finden auch Denkschulen die glauben, dass der Mensch grundsätzlich triebgesteuert und nur auf seinen Vorteil bedacht sei, wie diejenigen, die eine grundlegende Veranlagung zum Guten feststellen, einige mit Bezug auf einen Schöpfergott, andere ohne.

Das Fazit der islamischen Lehre ist natürlich, s.o., dass der Mensch eine göttliche Veranlagung in sich trägt und was diese bedeutet und wohin sie führen soll wird in der zweiten Hälfte des Buches behandelt.

Die jedem Menschen innewohnende Veranlagung ist das Wissen um die Existenz und Einheit Gottes. Dieses Wissen kann im Unbewussten bleiben und getrübt sein, und es ist der Gottesdienst der dazu führt, dass die Schleier gehoben werden. Der Mensch strebt in allem nach Schönheit  und das kann heißen, dass er damit auf der materiellen Ebene verbleibt, oder eben dass er nach der göttlichen Schönheit strebt. Das Gleiche gilt für die Liebe und die Kreativität. Ja alles kann der Mensch nutzen um zu Gott zu streben, aber alles kann auch auf der materiellen Ebene bleiben, wenn der Mensch nicht seine Fähigkeit zur Beherrschung seiner niedrigen Instinkte nutzt. Denn auch diese sind vorhanden.

Weiter wird behandelt, was es bedeutet, dass der Mensch „Statthalter“ Gottes auf Erden ist: Gott ist niemals abwesend, warum also diese Bezeichnung und welche Aufgabe steckt dahinter? Was ist die Menschenwürde? Es gibt eine angeborene solche, aber es gibt auch eine erworbene Würde des Menschen, die auf seinen guten Taten beruht. Vollbringt er solche nicht, wird er am Tag des Jüngsten Gerichts niedriger als die Tiere dastehen, denn im Gegensatz zu diesen instinktgesteuerten Wesen, hat der Mensch eine Wahl, wie er sich verhält.

Zwei Verse aus dem Heiligen Qur´an die dazu zitiert werden:

„Wahrlich, vor Allah ist von euch der Angesehendste, welcher der Gottesehrfürchtigste ist. Wahrlich, Allah ist wissend, kundiger…..“(Sure 49:13)

„Wir warnen euch ja vor naher Strafe, am Tag, da der Mensch schauen wird, was seine Hände vorausgeschickt haben, und der Ungläubige sagen wird: „O, wäre ich doch Erde“  „(Sure 78:40)

Zusammengefasst sagt uns Ayatullah Ramezani:

„Kurzum sollte man alle seine Möglichkeiten, Talente und Kapazitäten bis zuletzt nutzen um sich Menschenwürde zu erwerben. Der Mensch sollte glauben, seinen Glauben im Denken und Handeln manifestieren und Gutes verrichten und somit sein Kapital nutzen und wirklich Würde erlangen. Aus diesem Grund hat sich Gott in den ersten              Qur´anversen dem Propheten als Erhabenster vorgestellt:

„Lies! Dein Schöpfer ist der Erhabenste. (Sure 96:2)“

Bei dem erhabensten Schöpfer lernt man wahre Erhabenheit und findet den für die menschliche Würde vorgesehenen Pfad. Da der Mensch auf diesem Pfad auf Anleitung angewiesen ist, wurde ein Buch herabgesandt, das ihn die Würde erlangen lässt und aus diesem Grund wird der Heilige Qur´an auch „der Erhabene“ genannt.“

Das wäre jetzt schon ein schöner Abschluss dieser Buchbesprechung, gerade um jetzt dazu zu motivieren, den Heiligen Qur´an im Monat Ramadan durchzulesen. Aber Ayatullah Ramezani hat noch einige Kapitel angeschlossen, die sich ebenfalls mit einem Thema befassen, das jeden Menschen durch sein ganzes Leben begleitet: das Streben nach Glück.

Die Glückseligkeit setzt Ayatullah Ramezani gleich mit dem menschlichen Streben nach Vervollkommnung. Und sie wird auf den verschiedenen Ebenen betrachtet, vom irdischen Leben bis hin zur „Gottseligkeit“. Bringt das Streben zu Gott auch irdisches Glück mit sich? Was sagen nichtreligiöse philosophische Schulen wie die Zyniker, die Stoiker, die Eskapisten dazu, oder auch der Buddhismus, die alle dazu raten, sich möglichst von der Welt zurückzuziehen, um sich nicht von ihr abhängig zu machen, Zitat von Schopenhauer:

„Das größte vernünftige und greifbare Glück liegt im vollständigen Beenden des Lebens“

Im Gegensatz dazu Ideologien, die auf den „Genuss“ als Mittel zur Glückseligkeit setzen (erwähnt werden hier Epikur, Aristoteles, die Utilitaristen) Wenn es sich um Genuss als rein materielles Geschehen handelt, bleibt dieser beschränkt. Der Islam zeigt sich im Gegensatz zu diesen Denkrichtungen als die Religion der Mitte, die weder die Abkehr von der Welt lehrt als auch sich abhängig von den rein irdischen Genüssen, von Konsum und Macht zu machen. Was wir anstreben sollen ist der wahre Genuss, der darin besteht sich Gott zu nähern, indem wir eine Stufe erreichen in der wir es lieben Gott zu dienen.

Dass der Konsum in unserer Gesellschaft als das Mittel zur Glückseligkeit überhaupt gilt, kritisiert Ayatullah Ramezani mit deutlichen Worten.

In den abschließenden Kapiteln des Buches kommen die islamischen Philosophen zum Thema „Glückseligkeit“ zu Wort und natürlich der Heilige Qur´an. Das ist so umfangreich, dass es nur angerissen werden kann, aber das Fazit dazu, was wirkliche Glückseligkeit bedeutet wird so beschrieben:

„Die wahre Glückseligkeit und Vollkommenheit liegen laut Heiligem Qur´an in der Nähe zu Gott und in der Bemühung des Menschen, seine vorhandenen Kapazitäten und Talente vollständig umzusetzen.“

Weil es mir oft so schwer erscheint, auf diesem Weg voranzukommen fand ich dieses Zitat aus einem Bittgebet von Imam Sadschad (a) so tröstlich:

„Und ich bin überzeugt, dass jemand der sich Dir nähern will, keine weite Strecke zurückzulegen hat. Und ich bin sicher, dass Dein Antlitz nicht hinter Schleiern ist, sondern dass es diese Schandtaten Deiner Diener sind, die ihre Sicht verdecken.“

Es ist wohl der Schaitan, der es uns so schwer erscheinen lässt, einerseits die Taten zu unterlassen, die uns unserer Würde berauben und andererseits diejenigen, die uns stärken wie das Gebet und gute Taten als Mühsal darstellt, damit wir uns auf diesem Weg, der doch gar nicht so schwer ist nicht vorwärts bewegen. (das ist eine persönliche Anmerkung und kein Zitat).

In den letzten Abschnitten des Buches geht es dann auch genau darum: wir können die Glückseligkeit erlangen, wenn wir uns darum bemühen. Imam Ali (a) sagte:

„Mit seinem Glauben erklimmt der Mensch den Gipfel der Gottseligkeit“

Glaube, gute Taten, Gott vertrauen, Standhaftigkeit gegenüber den Versuchungen des Schaitans und Selbsterkenntnis gehören dazu. Der Selbsterkenntnis wird ein eigener Abschnitt gewidmet und sie beinhaltet noch vieles von dem, was im Buch besprochen wurde, nämlich den Sinn der menschlichen Schöpfung und der Aufgaben die wir als Menschen in diesem Leben haben.

Dabei wird aufgezeigt, dass der Mensch in der Andacht an Gott innere Ruhe und damit auch das Glück findet, ohne dass ihn die religiöse Lehre davon abhält im diesseitigen Leben Freundschaft zu finden und eine verlässliche Person im Zusammenleben mit anderen zu sein. Aber sie  befreit von der Abhängigkeit an die irdische Welt, die dem wirklichen Glück im Wege steht. Dazu gehört auch die Abhängigkeit von anderen Menschen!

„Sprich: sollen wir euch die nennen, die bezüglich ihrer Werke die Verlustreichsten sind? Diejenigen, deren Eifer in dem Leben des Diesseits in die Irre ging, während sie errechnen, sie würden wohltätig an Werken sein“ (18:103-104)

Damit bin ich am Ende dieses Artikels angekommen. InschaAllah hat es Euch Freude gemacht und neugierig auf dieses Buch.

Der Schlusssatz von Ayatullah Ramezani:

„Um ein wahrer Gottesdiener zu sein, muss man bei seinem eigenen „Ich“ beginnen, und mittels Mühe und Entschlossenheit, Erkenntnis und unmittelbares Wissen erlangen, für sein jenseitiges Leben  vorsorgen und zum reinen Monotheismus gelangen.

Möge der Frieden und die Gnade Gottes und seine Segnungen mit euch sein“

Diesem Wunsch schließe ich mich an und ich wünsche Euch allen einen gesegneten Monat Ramadan!

Das Buch kann man hier bestellen: http://www.m-haditec-verlag.de/Literatur/Wissen-um-Islam/Menschenbild-im-Heiligen-Qur-an.html.

„Eslamica“ veranstaltet seit einer Weile immer wieder Preisrätsel unterschiedlichster Art, da kann man mit ein wenig Nachdenken und Glück Rabattgutscheine gewinnen, da macht das Bücherkaufen noch mehr Spaß.

Volker Kauder ins Poesiealbum geschrieben

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Bismillah

Volker Kauder, Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion, mag keinen Islam in Deutschland. Vielleicht hat er Angst, dass man ihm seinen täglichen  Alkoholkonsum verbieten könnte: “ zwei, drei Weizenbier am Tag -die müssen einfach sein“ sprach der ehemalige Bierkutscher und jetzige „Botschafter des Bieres“ im Nebenberuf. Freibier für den Abgeordneten?

Gut dass Herr Kauder Bier vor harten Alkoholika bevorzugt – Bier, besonders Weizenbier enthält immerhin Hefe und deshalb baut das Hirn damit nicht ganz so schnell ab. Es geht aber trotzdem auf die Leber und betrunken wird man davon auch, vielleicht sind seine gelegentlich wirren Äußerungen dadurch verursacht Na, Herr Kauder mag zwar keinen Islam – verstehe ich nicht recht, denn seine konservativen Einstellungen passen zu einem großen Teil ganz gut zu islamischen Wertvorstellungen. Die Menschenwürde komme von Gott, nicht von der Gesellschaft oder der Politik, sagte er einmal. Allerdings verdächtigte man ihn auch, gegen Parteispenden der Waffenfirma Heckler&Koch behilflich gewesen zu sein. Waffen und Bier – das kann böse ausgehen.

Aber genug der Lästerei. Der Islam ist nicht identitätsstiftend sagt Herr Kauder und gehört darum nicht zu Deutschland. Weil zu Deutschland gehört nur, was Identität stiftet, wie deutsches Bier eben. Wir Muslime dürfen aber trotzdem dableiben, sagt er auch, Glück gehabt.

Aber ich wollte ihm doch was Schönes in sein Poesiealbum schreiben. Das sind diese hübsch dekorierten Büchlein in die wohlmeinende Verwandte oder Freunde kluge Sprüche schreiben. Und weil Herr Kauder doch Islam und Christentum (jedenfalls seine Vorstellung vom Christentum) für unvereinbar hält und unser „christliches Abendland“ preist, dachte ich ich such ihm mal was Schönes zum Nachdenken raus.

Und dabei kam ich natürlich wieder auf unseren großen deutschen Dichter, Johann Wolfgang von Goethe und was er über den Islam sagte. O.k. Herr Kauder hat schon abgelehnt, was unser Ex-Präsident Wulff aus dem west-östlichen Divan zitierte, aber hier habe ich doch etwas, dass den Gläubigen, als den Herr Kauder sich sieht, ansprechen könnte:

Närrisch, daß jeder in seinem Falle
Seine besondere Meinung preist!
Wenn Islam Gott ergeben heißt,
Im Islam leben und sterben wir alle.

In diesem Sinne wünsche ich Herrn Kauder geistig erhellende und nicht vernebelte Momente.

Herr Kauder beruft sich auf die „christlich-jüdische“ Kultur. Ich empfehle ihm deshalb noch dieses Buch: https://meryemdeutschemuslima.wordpress.com/2012/04/11/buchtipp-der-islam-schrecken-des-abendlands-wie-sich-der-westen-sein-feindbild-konstruiert-von-werner-ruf/

Und wegen der 2-3 Weizenbiere am Tag: Herr Kauder, sie sind doch ein Freund der Springer-Presse. Die rät Ihnen davon ab:

http://www.welt.de/wissenschaft/article925726/Ab-welcher-Menge-Alkohol-wirklich-schaedlich-ist.html

Buchtipp: Der Islam – Schrecken des Abendlands – wie sich der Westen sein Feindbild konstruiert von Werner Ruf

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Bismillah

http://www.papyrossa.de/sites_sortiment/gesamt_politik_direkt.htm

Ein brandneues Buch aus dem Papyrossa Verlag, das ich gerade gelesen habe. Es handelt sich um keine theologische Auseinandersetzung mit dem Islam und/oder seinen Kritikern, sondern beleuchtet, wie der Islam nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion als Feindbild des Westens „eingesprungen“ ist, um die Existenzberechtigung der NATO zu gewährleisten, ebenso wie die Rechtfertigung weltweiter Militäreinsätze unter der Überschrift „Krieg gegen den Terror“.

Zunächst setzt sich Werner Ruf dabei mit der Konstruktion von kollektiven Identitäten auseinander und der menschlichen Tendenz zur Abgrenzung vom „Anderen“, dem Fremden. Hier hat der Begriff der „Nation“ in den letzten zwei Jahrhunderten einen Aufschwung erlebt. Die Zugehörigkeit zu einer wie auch immer gearteten Gruppe trägt dabei die Entwertung derjenigen, die nicht dazu gehören in sich. Der Nationalbegriff hat aber auch den Rassismus befördert, musste doch geklärt werden, wer zu einer Nation gehören darf. Dass in unserem Kulturbereich die „weiße Rasse“ als überlegen diagnostiziert wurde ist uns bekannt. Vielleicht weniger, was vielgelobte „Aufklärer“ wie Voltaire geäußert haben. Da es nach dem  zweiten Weltkrieg nicht mehr opportun war, rassistische Überzeugungen zu vertreten hat gegen Ende  letzten Jahrhundert der angebliche „Clash of Civilizations“ diesen Platz eingenommen. Samuel Huntington und seine Gesinnungsgenossen stellen dabei die Unvereinbarkeit der westlichen und anderer Kulturen praktisch als unausweichlich und die Kulturen als unveränderlich dar. Was zur Folge hat, dass man den „anderen“ Kulturen dauerhaft zivilisatorische Leistungen absprechen kann, egal ob diese in der Vergangenheit oder Gegenwart zu finden sind.

Eine böse Folge dieser Geisteshaltung ist, dass auf andere Völker/Kulturen unsere westlichen Werte keine Anwendung finden müssen. D.h. die Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit können außer Kraft gesetzt werden, wenn es um die Interessen der westlichen Welt geht – sei es bei der Globalisierung von Arbeit, aber nicht von Arbeitsrechten, sei es bei der Kriegsführung oder durch  außer Kraft setzen  des Kriegs- und Völkerrechts (die Schaffung eines neuen Status von „feindlichen Kämpfern“ seitens der USA für die kein Kriegsrecht gilt oder die Anwendung von Waffen wie weißem Phosphor und Uranmunition).

Der Islam hat sich als Feindbild u.a. auch deswegen angeboten, weil die islamisch geprägten Länder eine große Menge an Rohstoffen besitzen, oder strategisch günstig gelegen sind, um der westlichen Welt, vereint in der NATO, günstige Einfluss- und Zugangsmöglichkeiten Richtung potentieller Konkurrenten wie China oder Russland zu ermöglichen. Auch das amerikanische Oberkommando in Afrika „Africom“ dient diesen Zwecken. Während früher sogenannte „Islamisten“ als Verbündete, z.B. in Afghanistan gesucht waren, werden sie heute zum Feindbild aufgebaut. Dabei machen die USA gar kein Hehl daraus, dass es ihnen um die Vorherrschaft in der Welt geht und nicht um die Verbreitung „westlicher“ Werte. Die NATO erweiterte dann auch praktischerweise die Begründung für ihre Existenz, die ja angeblich als Gegengewicht zum kommunistischen Osten notwendig war auf die Bekämpfung „neuer Risiken“ wie ökologische Bedrohungen, internationale Kriminalität,  Migration und eben Terrorismus und religiösem Fanatismus. Damit begründet sie dann auch, dass ihre Einsätze nicht der territorialen Begrenzung ihrer Mitgliedsländer unterliegen, sondern weltweit erfolgen „dürfen“. Interessant fand ich auch, dass schon 1992 der damalige deutsche Verteidigungsminister Volker Rühe die „Sicherung weltweiter Transportwege“ als sicherheitspolitische Aufgabe Deutschlands definiert hat. Womit lässt sich das auf dem Boden unseres Grundgesetzes begründen? Auf die Anschläge von 9/11 geht Ruf nur am Rande ein – sie müssen wie ein „Geschenk des Himmels“ gewesen sein, schreibt er und wundert sich nur kurz, dass der „Krieg gegen den Terror“ dann aber nicht gegen Saudi-Arabien ging, aus dem ja 12 der 19 angeblichen Attentäter stammten.

Ruf hat wie gesagt kein theologisches Buch geschrieben und fasst sich deshalb kurz, was die verschiedenen Richtungen des Islam und die Defiition von „Fundamentalismus“ angeht, da das für die Funktion des Islams als Feindbild keine große Rolle spielt.  Ein Kapitel widmet er allerdings der angeblich ausschließlich kriegerischen Geschichte des „Orients“ und „Okzidents“ und erinnert daran, wie die islamische Kultur unsere westliche Welt beeinflusst hat. Bei der Beschreibung von kriegerischer Geschichte bespricht er die Handlungen beider Seiten.

Sehr interessant, wie Ruf mit der Mär vom  „jüdisch-christlichen Erbe“ des Abendlandes aufräumt – wurzelt doch der schlimmste Antisemitismus, der sich gegen Juden, aber auch gegen Araber (und gegen Türken, die gar kein semitisches Volk sind) richtete, gerade in der christlichen Vergangenheit Europas. Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein – auch bis weit nach dem Nationalsozialismus wurden die Juden als Volk mit Charakterschwächen oder Machtstreben, bzw. als Anhänger einer defizitären Religion, die zudem Jesus (a.s.) ermordet haben, verunglimpft.  Die inzwischen beschworene „christlich-jüdische“ Werteordnung sieht Werner Ruf dann u.a. auch als einen Versuch der Vernebelung der Geschichte. Zudem wird damit versteckt, wie ähnlich sich doch Antisemitismus und Islamophobie äußern. Auch im Sprachgebrauch – hier wird u.a. beispielhaft genannt, wie im bekannten Islamhasserblog „Politically Incorrect“ die Muslime gerne als „Musels“ und „Kameltreiber“ bezeichnet werden. Namen, die man den Juden in den KZs gab.

Inzwischen sind aber die ehemaligen Opfer die Juden, samt ihrer Kultur vereinnahmt worden in das Bild des „jüdisch-christlichen“ Abendlandes und sollen gemeinsam „dem Islam“ gegenüberstehen. Dabei haben  geschichtlich betrachtet, die Juden in den islamischen Ländern immer Schutz genossen. Mittlerweile hat sich dann auch selbst die extreme Rechte zur Freundschaft mit Israel bekannt. Dass wiederum als antisemitisch gilt, wer israelische Politik kritisiert, ist bekannt und haben wir gerade am Beispiel von Günter Grass wieder erleben dürfen. Dass das Judentum ganz selbstverständlich mit Israelund dem Zionismus identifiziert wird, ist natürlich im israelischen Interesse, wenn auch nicht in dem des Judentums.

Werner Ruf geht also abgesehen vom geopolitischen Nutzen des „Feindbildes Islam“ dann auch auf innerdeutsche Entwicklungen ein und nimmt sich dabei einige Protagonisten der sogenannten „Islamkritiker“-Szene wie Henryk Broder, Ralph Giordano, Thilo Sarrazin vor. Er betrachtet kritisch deren persönliche Entwicklung als auch ihre Argumentation, sowie ihren Einfluss auf die islamfeindliche und mörderische Kriminalität wie bei Breivik oder dem „nationalsozialistischen Untergrund“. Dazu nennt und bewertet er einige bekannte Publikationen und Organisationen, wie o.g. Seite „PI“ und „Pax Europa“, sowie politische Gruppierungen innerhalb der „Linken“ und die „Antideutschen“.

In seinem Schlusskapitel fasst Ruf noch einmal die Auswirkungen des Kampfes gegen den Terror, respektive gegen den Islam als Synonym für Terror zusammen. Weltpolitisch betrachtet hat sich der Westen die Legitimation gegeben, die Menschen- oder Völkerrechte außer Kraft zu setzen, wenn es sich angeblich um diesen Kampf handelt. Dass es dabei letztlich um Ressourcen geht – wie immer in der Geschichte des Imperialismus, wird aber dabei nicht verschwiegen, vielmehr wird es als Recht der westlichen Welt gesehen, sich diese Ressourcen zu sichern. Innerstaatlich bietet sich das Feindbild „Islam“ an, weil man unter dieser Überschrift alle Menschen zusammenfassen kann, die man in einer globalisierten Welt, in der es zunehmende Unterschiede zwischen Arm und Reich gibt, als Bedrohung sehen kann, weil sie Arbeitsplätze wegnehmen, die Löhne drücken und überhaupt als verantwortlich für den Zusammenbruch des gesellschaftlichen Friedens angesehen werden können. Man sagt „Islam“ und meint „die Ausländer“.  Die Gesetzgebung folgt diesem Trend, statt deutlich zu machen, dass die Grund-, Menschen- und politischen Rechte für alle gelten die hier leben, indem sie über „Sicherheitsgesetze“ und Kriterien bei der Rasterfahndung, der Gesinnungsprüfung bei Einbürgerung u.a. öffentlichen Aktivitäten und Äußerungen immer wieder „den Islam“ als problematisch darstellt. Was schließlich auch rassistische Verbrechen befördert.

Rufs Büchlein kann nur eine Einführung in diese interessanten Zusammenhänge geben. Er hat viele Quellenangaben zur Vertiefung gemacht, auch viele die online zu finden sind und an die ich mich dann inschallah auch bald mal machen werde. Gerade das amerikanische Projekt des „Greater Middle East“, das mir dort wieder begegnet ist, beschäftigt mich sowieso gerade. Es lohnt sich jedenfalls das Buch zu lesen und es als Ausgangspunkt für weitere Recherchen zu nehmen.

Buchbesprechung: Die Frau an seiner Seite von Heribert Schwan (Biographie von Hannelore Kohl)

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Bismillah

Jetzt werden sich hier einige die Augen reiben, angesichts dieses Themas – zugegeben, es fällt aus der Reihe. Und wäre mir wiederum nicht das Buch unter den Neuerwerbungen in der Bibliothek ins Auge gefallen, dann hätte ich es sicherlich nie gelesen. Aber so dachte ich mir „warum nicht“ und hab es mitgenommen. Es hat mehr bei mir ausgelöst, als erwartet.

Die Kohlschen Kanzlerjahre waren schließlich eine prägende Zeit in meinem jungen Erwachsenendasein. Gerade Mutter geworden, alleinerziehend, Durchstart im Beruf am Anfang – am Ende schon ziemlich ausgebrannt und von der Entwicklung unseres Landes entsetzt – auch wenn die „Wiedervereinigung“ im Grunde eine Freude gewesen war.

Trotzdem: diese Kohl-Jahre sind in meiner Wahrnehmung diejenigen gewesen, in denen das Soziale in unserer Sozialen Marktwirtschaft nach und nach zerstört wurde. Auf einmal war viel von „Selbstverantwortung“ die Rede. Ich fand schon damals, dass ich eigentlich ziemlich viel Verantwortung trug und dass mein Krankenschwestern-Einkommen keine Luft ließ für zusätzliche Versicherungen. Es begann die Entwicklung, dass man mit Krankenhäusern Gewinne machen müsste – oder wenigstens der Staat beim Gesundheitswesen nichts zuzahlen müsste. Darum waren auch kurzzeitige positive Entwicklungen mit besserer Qualifikation und besserer Bezahlung in meinem Beruf wieder schnell zunichte gemacht.

Die „Volksaktie“ tauchte auf – die Telekom wurde privatisiert, die Beamten rausgemobbt oder auf unsere Kosten in die Frührente befördert und Ähnliches geschah bei der Bahn.

Nein, ich hab daran keine guten Erinnerungen. Dass wir uns mit der DDR vereinigt haben, hat mich zwar gefreut, aber ich hatte doch eher das Gefühl, wir hätten ein Land „übernommen“. Und Kohl hat nicht allzuviel dazu beigetragen, die Wurzeln der Verständigung haben seine Vorgänger gelegt und schließlich haben die DDR-Bürger ihre Freiheit erstritten.

Tja also – auch wenn seine Nachfolger sich auch nicht als besser erwiesen haben und dann schließlich sogar die größeren Verbrechen begingen, indem sie uns in den Krieg führten – Kohl war nie mein Kanzler.

Und seine Frau? Sie hab ich nicht wirklich wahrgenommen. Die Betonfrisur und das gequälte Gesicht beim üblichen Urlaubsfoto, mehr bekam ich eigentlich nicht mit. Dann gegen Ende ihres Lebens die Geschichten von der „Lichtallergie“ und ihr Selbstmord.  Schon interessant, darüber mehr zu erfahren dachte ich mir und nahm das Buch mit.

Heribert Schwan ist ein Journalist, der mit den Kohls lange vertraut war und vor allem auch mit Helmut Kohl gearbeitet hat. Dass er das Vertrauen von Frau Kohl erworben hat, war nicht einfach, sie war sehr zurückhaltend, vor allem was Privates anging. Und absolut loyal, was ihren Mann betrifft. Interessant, dass sie sich als unpolitisch ansah. Das geht sicherlich nur im Rahmen der klassischen Rollenverteilung die das Ehepaar Kohl gelebt hat.

Über Politik erfährt man in der Biographie also nur am Rande etwas, etwa wenn berichtet wird, wie sich Hannelore Kohl mit ihrem Mann freut oder auch mit leidet, wenn er sich gegen Intrigen und Mißerfolge wehrt.

Aber ich sollte lieber mit dem Anfang beginnen.

Hannelore Kohl wurde am 7.März 1933 in Berlin geboren, also kurz nach der Machtübernahme der Nazis. Sie ist damit drei Jahre jünger als ihr späterer Ehemann gewesen. Ihr Vater war ein ehrgeiziger Ingenieur pfälzischer Abstammung, der trotz seiner Kriegsverpflichtung in jungen Jahren und in der Wirtschaftskrise danach einen stetigen beruflichen Aufstieg zu verzeichnen hatte, ihre Mutter stammte aus einer Bremer Akademikerfamilie. Hannelore Renner, so ihr Mädchenname, wuchst in Leipzig auf, wo ihr Vater beim Rüstungsunternehmen „HASAG“ als Direktor Karriere machte. Die frühen Kinderjahre verbrachte Hannelore in einer luxuriösen, großbürgerlichen Umgebung, wo ihre Mutter eher distanziert aber sehr ehrgeizig über sie wachte, während ihr Vater der liebevolle und strahlende Held ihrer Kindheit war. Für die weibliche Zuwendung war das Kindermädchen zuständig.  Hannelore war als Kind kränklich und die Eltern deshalb in Sorge, auch weil damals noch Epidemien wie die Kinderlähmung eine große Gefahr waren. Alles in allem hatte Hannelore bis zu ihrem 12. Lebensjahr eine unbeschwerte Kindheit. Ihre Eltern waren überzeugte Nationalsozialisten und so war es selbstverständlich, dass die Hannelore dem BDM ohne Murren beitrat. Bis zum Beginn der Bombardements auf Leipzig, war alles sehr behütet. Dann brach der Krieg auch auf die heile Familie herein: Evakuierung, Arbeitseinsatz für die Mutter, bisher „Dame der Gesellschaft“, Unterbringung mit anderen Evakuierten, Zerstörung des Hauses in Leipzig mit allen Erinnerungen und schließlich die Flucht Richtung Westen. Der sonst stets präsente Vater verschwunden, untergetaucht, floh Hannelore mit ihrer Mutter Richtung der pfälzischen Heimat ihres Vaters.

Interessant ist die Lebensgeschichte Hannelore Kohls für mich wegen dieser Erfahrungen geworden. Meine Mutter ist auch Flüchtling gewesen, aus Schlesien allerdings und noch einige Jahre jünger.  Und wie die Familie Renner haben sich die Frauen meiner Familie alleine durchschlagen müssen. Nur wenig wurde über die Erfahrungen, zu denen aber auch Hunger, Gewalt und vor allem Vergewaltigung gehörten, gesprochen. Und solche Erlebnisse hatte auch Hannelore Kohl, damals noch ein junges Mädchen.

Ihre weitere Lebensgeschichte ist bei aller Prominenz, in vieler Hinsicht typisch. Die Erfahrungen wurden weitgehend verschwiegen, eine irgendwie geartete Therapie gegen die Traumafolgen gab es nicht, in Hannelores Fall auch nicht gegen die körperlichen Folgen wie Wirbelsäulenverletzungen, die ihr lebenslang Schmerzen verursachten. Die Erfahrung, dass die ganze Existenz zerstört wurde, ob es nun eine luxuriöse wie bei Hannelores Familie, oder die einer bescheidenen Bergmannsfamilie wie bei meiner war, fühlte sich sicherlich ähnlich an. Deshalb haben auch so viele dieser Generation immer Existenzängste gehabt und gespart und geschuftet, um sich wieder einen Platz in der Gesellschaft zu erobern. Auch wenn in Westdeutschland damals ungefähr 30% der Bevölkerung aus Flüchtlingen und Vertriebenen bestand, hatten diese doch zusätzlich zu den zerstörten Existenzen mit dem Widerstreben der Alteingesessenen zu kämpfen, die über die „Habenichts“ aus dem Osten nicht unbedingt begeistert waren.

Für Hannelore Kohl waren die Nachkriegsjahre hart, aber immerhin konnte sie ihre Schulausbildung fortsetzen und auch ein glänzendes Abitur ablegen. Sie schaffte es sogar, einige Wochen als Au-Pair Mädchen in Paris zu verbringen. Ihre pädagogischen Fähigkeiten als Nachhilfelehrerin verhalfen ihr zu einem Taschengeld. Für ein Studium reichten aber die geringen Mittel der Familie nicht aus und dann verstarb auch noch ihr Vater, kurz nachdem sich eigentlich ein erneuter beruflicher Aufstieg ankündigte. Eigentlich hatte der Vater Glück gehabt, dass er einer Bestrafung nach der Nazi-Zeit durch seine Übersiedlung in den Westen entgangen war, schließlich hatte seine Firma in Leipzig nicht nur Rüstungsgüter gebaut sondern war auch erheblich an der Ausbeutung von Zwangsarbeitern beteiligt. Aber mit dem beruflichen Abstieg war er schlecht zurechtgekommen und als er mit knapp über sechzig Jahren angeblich an einem Herzinfarkt verstarb, wurde auch über Selbstmord gemunkelt.

Hannelore Kohl musste ihre Ausbildung an der Dolmetscherschule abbrechen um für sich und ihre Mutter zu sorgen. Die Mutter kam schlecht mit ihren Lebensverhältnissen zurecht und war lebenslang von Hannelore mehr oder weniger abhängig. Hannelore Renner begann als fremdsprachliche Stenotypistin zu arbeiten und verdiente schließlich ein bescheidenes aber auskömmliches Gehalt. Ihre sprachlichen und naturwissenschaftlichen Talente lagen allerdings weitgehend brach.

Ihren späteren Mann Helmut Kohl hatte Hannelore Kohl schon mit 15 Jahren kennen gelernt und er stand ihr nun, fünf Jahre später, zur Seite als ihr Vater verstarb. Heiratspläne gab es längst, aber wie es der damaligen Zeit und Stimmung entsprach, sollte erst die berufliche Zukunft gesichert sein. So dauerte es bis 1960, bis die Eheleute Kohl geheiratet haben und ein Haus in Ludwigshafen bezogen, dessen Finanzierung der Flüchtlingsstatus von Hannelore und ihrer Mutter überhaupt erst ermöglicht und dessen Planung, Bauaufsicht  und Einrichtung Hannelore übernommen hatte. Damit bewies sie das erste Mal ihr Talent als Managerin der Familie und diese Rolle hat sie beibehalten. 1963 kam ihr erster Sohn zur Welt, Walter, 1965 der zweite Sohn Peter. Da war Hannelore Kohl schon mehr oder weniger alleinerziehend und ihr Mann in der Landespolitik im Aufstieg begriffen.

Die Biographie erzählt natürlich die Geschichte des Aufstiegs Kohls vom Landespolitiker zum Ministerpräsidenten und schließlich in die Bundespolitik. Für die Betrachtung des Lebens seiner Frau, sind aber viele Details eher unwichtig und da sie selber sich als unpolitisch bezeichnete, war das eher ein Folge von Herausforderungen, denen sie sich mehr oder weniger willig zu stellen hatte. Eine klassische Rollenverteilung war nicht das Problem für Hannelore Kohl, allerdings beschreibt das Buch nur sehr oberflächlich, wie sich das Ehepaar über den politischen Aufstieg entfremdet haben muss.

Ich finde es erschütternd zu lesen, dass sich Helmut Kohl, obwohl er seine Frau sicher geliebt hat, in seinen Plänen überhaupt nicht seine Ehe und Familie einbezogen hat. Die mussten den Weg mitgehen, ob sie wollten oder nicht. Seine Söhne haben die Politik verachten gelernt, was ich durchaus verständlich und bemerkenswert finde. Und seine Frau Hannelore muss wohl dauernd die Zähne zusammengebissen haben, da er sie selten um ihre Zustimmung für einen nächsten Schritt gebeten hat, oft sogar gegen ihren erklärten Willen handelte, aber ihre Unterstützung brauchte und dann auch schätzte. Sie hat auf vielen Veranstaltungen gelächelt, die ihr zuwider waren, auch wenn sie natürlich auch stolz auf ihn war. Über Entscheidungen aus den Medien erfahren zu müssen, die ihr Ehe- und Familienleben nachhaltig beeinflussten, dass mehr oder weniger gelassen zu schlucken, kann nicht gesund sein.

Heribert Schwan ist ein diskreter Biograph und seine Andeutungen über mögliche Krisen und Zornesausbrüche von Hannelore Kohl sind entsprechend verhalten. Sie hat ihr Leben ihrem Mann untergeordnet, ebenso wie sie für ihre Mutter, Schwiegermutter gesorgt hat, einschließlich der Pflege und das als Gattin eines prominenten Politikers mit entsprechenden gesellschaftlichen Verpflichtungen. Für ihre Söhne war sie immer präsent und hat dafür gesorgt, möglichst keine Nacht außer Haus zu verbringen. Ansonsten war auch sie eine ehrgeizige und dominante Mutter, die sich auch für deren schulische Entwicklung engagierte. Für ihre eigene psychische Gesundheit hat Hannelore Kohl durch ein Netz von vertrauten Freundinnen gesorgt, dass sie sich aufgebaut und gepflegt hat, sie war sicherlich eine loyale Freundin und entsprechend hat auch ihr Netzwerk gehalten. Unterstützung hatte sie auch von dem Ehepaar, dass als Fahrer und Haushälterin tätig war und über die Jahre zu Freunden wurde.

Wir erfahren davon, dass ihre Krankheiten ihr immer zu schaffen machten, vor allem die Wirbelverletzungen und dass sie stets Angst vor Menschenansammlungen hatte, in denen sie verletzt werden konnte. Dass sie nach jahrzehnterlanger Schmerzbehandlung eine Tablettenabhängigkeit entwickelt hatte, war schließlich kein Wunder und hat am Ende für die traurige Entwicklung eine Rolle gespielt. Interessant auch, wie die Erfahrungen aus Krieg und Nachkriegszeit zu einer lebenslangen Angst vor finanziellem Ruin führten, so dass selbst für uns normale Bürger komfortabel aussehende Bedingungen, ihr kein Gefühl von Sicherheit gaben.

Heribert Schwan hat u.a. Luise Reddemann, die bekannte Traumaforscherin und -therapeutin als Ratgeberin für das Buch einbezogen, als ich das im Vorwort las, war ich entschlossen, das Buch zu lesen. Denn es ist nicht von ihrer Lebenserfahrung zu trennen, dass Hannelore Kohl ein derartiges Durchhaltevermögen entwickelt hat, aber schließlich auch unter der Last ihrer verdrängten Gefühle zusammengebrochen ist.

Eine kurze Blütezeit, in der sie ihre ganz eigenen Fähigkeiten verwirklichen konnte, hatte Hannelore Kohl als die Kinder aus dem Haus waren und im Ausland studierten. Das war ihr Wunsch, da sie stets in Angst gelebt hatte, diese könnten Opfer von Anschlägen werden. Als Präsidentin des „Kuratoriums für Hirnverletzte“ schaffte sie, für Menschen mit solchen Krankheitsbildern eine erhebliche Verbesserung von Frühbehandlung und Rehabilitation in Gang zu setzen. Dafür konnte sie sowohl ihr naturwissenschaftliches Interesse, als auch ihre organisatorischen und kommunikativen Fähigkeiten einsetzen. Ich gestehe, dass mir damals diese Leistungen gar nicht aufgefallen sind – dafür war Hannelore Kohl für mich viel zu sehr mit dem „ewigen“ Kanzler verbunden. Aber diese Tätigkeit hat ihr wohl wirklich noch einmal Freude bereitet. Auch die Wiedervereinigung muss sie sehr berührt haben, schließlich konnte sie jetzt endlich wieder ungehindert in ihre alte Heimat reisen.

Trotzdem: richtig gesund war Hannelore Kohl nie, aber niemand sah, dass ihre Erkrankungen auch durch ihre Traumata bedingt waren. 1993 soll ihr langjähriger Hausarzt ihr trotz ihrer bekannten und schweren Penicillinallergie ein falsches Medikament verschrieben haben, dass zu einem anaphylaktischen lebensgefährlichen Schock führte, den sie nur knapp überlebte. Der Hausarzt schweigt unter seiner Schweigepflicht, wurde „verstoßen“, aber es liegt nahe, dass er einen solchen Fehler nicht begangen haben kann. Die offizielle Version der Familie ist jedoch, dass durch diesen Auslöser sich der Gesundheitszustand Hannelore Kohls zunehmend verschlechterte, was schließlich zu ihrer „Lichtallergie“ und ihrem Selbstmord führte.

Heribert Schwan schildert eine andere Entwicklung und damit hat er es sich wohl mit der Familie Kohl verdorben. Es spricht nämlich einiges dafür, dass 1993 Hannelore Kohl schon den ersten Suizidversuch aus Überforderung und Angst vor einer Auslandsreise unternommen hat – eine Reise die ihr Mann dann auch ohne sie antrat und so war er in Asien, als sie in Lebensgefahr im Krankenhaus lag. Die alten Traumata lassen sich nicht für immer verdrängen, aber die Generation der Kriegskinder spricht nicht darüber – ich erlebe bei vielen, dass erst im Alter überhaupt mal ausgepackt wird, was sie ihr Leben mit sich herumgeschleppt haben. Natürlich ist es hilfreich, wenn man solche Pakete nicht alleine zu tragen hat – aber Hannelore Kohl hatte den fürsorglichen Partner ihrer Jugendjahre schon lange nicht mehr.

Das ist ein weiterer interessanter Aspekt des Buches: ich hab mich schon immer gefragt, was für ein Typ Mensch man sein muss, um Politiker sein zu können. Sympathischer sind mir diese Leute nicht geworden, auch Helmut Kohl nicht, auch wenn in dem Abschnitt über die jungen Jahre des Paares er mich ein wenig gerührt hat. Aber jemand der um der Macht willen gänzlich vergisst, dass er auch eine Ehefrau und eine Familie hat, es sei denn, die sind gerade nützlich, den kann ich nicht respektieren. Hannelore Kohl war stets absolut loyal und ließ auf ihren Mann nichts kommen. Aber er hat ihre Nöte lange nicht mehr wahrgenommen. Nicht einmal einen einzigen Urlaub nach ihren Wünschen hat es gegeben, nur die alljährliche Zurschaustellung gequälter Gemeinsamkeit am Wolfgangsee.

Was wohl den Ausschlag gab für Hannelore Kohls endgültigen Abstieg in die tiefe Depression, war schließlich die Spendenaffäre. Sie war schon vorher sehr angeschlagen durch ihre angebliche Lichtallergie. Gegen diese Diagnose spricht allerdings medizinisch eine Menge. Tragisch, dass die Familie jeglichen Arzt, der dieser Diagnose nicht folgen wollte aus der Behandlung ausschl0ß, so dass aber auch jegliche Therapie erfolglos bleiben musste. Zunehmend isolierte sich Hannelore Kohl, verließ kaum noch das Haus, litt unter ständigen Schmerzen und entwickelte dadurch wohl auch eine Abhängigkeit. Eine Behandlung aber wiederum jagte ihr Angst ein, nicht nur wegen der Unannehmlichkeiten, sondern auch, wegen der Angst vor der Öffentlichkeit und der Schande.

Durch die Spendenaffäre brach dann auch noch die gesellschaftliche Unterstützung vollständig zusammen. Gerade noch geachtet als Altkanzler, dann im Zwielicht als korrupter ehemaliger Regierungschef – Helmut Kohl hat sich nicht mit Ruhm bekleckert und auch da nicht Rücksicht auf seine Frau genommen. Noch einmal hilft sie ihm bei der Aufarbeitung und Rechtfertigung durch die Mitarbeit an einem Buch, es gab wohl noch einmal eine kurze gemeinsame Zeit, aber ihrem Wunsch nach Aufklärung kam auch er nicht nach. Dass sie, um sich an der Strafzahlung zu beteiligen, ihr Haus wieder mit einer Hypothek belasten mussten, erscheint für Normalbürger angesichts der Altersversorgung eines Politikers lächerlich, für Hannelore Kohls Existenzängste war das aber wieder Wasser auf die Mühlen. Auch ihre Arbeit für Hirnverletzte litt unter dieser Affäre, mit der sie ja nun wirklich nichts zu tun hatte.

Ihre letzte Lebenszeit muss sehr einsam und gespenstisch gewesen sein. Heribert Schwan schildert aus dem Inneren dessen, an was ich mich noch erinnern kann: der vollkommen verrammelte Wohnsitz der Kohls. Spaziergäng im Dunkeln, bei denen Hannelore Kohl wohl einiges mehr preisgegeben hat, als ihr loyaler Biograph uns mitgeteilt hat. Man muss auch nicht im Einzelnen über die familiären Konflikte, die Geduld aber auch die Zornesausbrüche von Hannelore Kohl Bescheid wissen um diese Tragik zu erfassen. Schließlich hat sie aufgegeben, wohl auch weil sie am Ende auch noch an der Treue ihres Mannes Zweifel hatte, wobei ich dazu gar keine Meinung habe, ob das berechtigt oder unberechtigt war. Sie war jedenfalls alleine und er mit der Rettung seines Rufs beschäftigt – das finde ich am Ende doch schäbig, nachdem diese Frau ihm über 40 Jahr zur Seite gestanden hat.

Also, man merkt, diese Lebensgeschichte hat mich mehr bewegt, als ich es mir vorgestellt hätte. Es zeigen sich darin eben so viele typische Erscheinungen der Kriegs- und Nachkriegsjahre, der Erlebnisse unserer Eltern und Großeltern. Und natürlich, wie gesagt, meine eigenen jungen Erwachsenenjahre, die von den Kohlschen Kanzlerjahre nun einmal geprägt wurden. Und es regt zum Nachdenken darüber an, welchen Preis man für die Macht bezahlen muss und was aus den guten Ideen im Laufe einer politischen Karriere werden kann.