Bismillah
Ich würde ja gerne mal wieder was Anderes schreiben als Medienkritik, aber ich kann einfach nicht dazu schweigen….
Das Strafgesetzbuch sagt:
§ 130
Volksverhetzung(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Die „Welt“ hat die Welt vorgestern mit einem Artikel (http://www.welt.de/politik/ausland/article106129819/Der-Iran-die-Bombe-und-das-religioese-Recht-zu-luegen.html) beglückt, in dem behauptet wird, dass shiitische Muslime jederzeit täuschen und lügen dürften, wenn sie um ihr Geld (!) oder ihr Leben fürchten müssen. Der Autor Hans Rühle behauptet:
…..Hinweis auf das nur im schiitischen Islam praktizierte Prinzip der „Taqiyya“. Es meint die vorsätzliche Täuschung als Selbstschutz und gilt für jeden Einzelnen wie auch für die Regierung.
In der Praxis heißt dies, dass jeder, der um Geld oder Leben fürchten muss, beliebig lügen kann, um Nachteile zu vermeiden. Dabei gibt es keine Beschränkungen. Das Prinzip der Taqiyya gilt immer und überall – selbst bei Glaubensfragen.
Hans Rühle ist nach Auskunft der Welt Sicherheitsexperte und ehemaliger Leiter des Planungsstabes im Bundesverteidigungsministerium. Diese Auskunft habe ich aus einem anderen Artikel, denn bei diesem wurde das nicht erwähnt. Es könnte ja jemand auf die Idee kommen, an der theologischen Qualifikation des Autors zu zweifeln.
Der Artikel behauptet, kurz zusammengefasst, dass jegliche Aussage der iranischen Regierung die die Absicht, dass Irans Atomprogramm anderen als zivilen Zwecken dient bestreitet, gelogen sein könne. Und zwar wird sowohl behauptet, dass der iranische Staatsgründer Ayatollah Khomeini
bereits 1984 die Entwicklung von nuklearen und chemischen Waffen angeordnet hat.
Sehr interessant, die Quellenangabe des Autors:
Dies ergibt sich aus einem der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA vorliegenden Bericht aus dem inneren iranischen Führungszirkel.
als auch: der damalige Regierungschef und jetziges Staatsoberhaupt und damit auch religiöser Führer Irans, Ayatollah Chamenei, habe damals erklärt:
er betrachte eine iranische Atombombe als den einzigen Weg, um die islamische Revolution zu schützen und das Land auf die Ankunft des Imam Mehdi vorzubereiten. Ein iranisches nukleares Arsenal sei, so Chamenei schließlich, eine Abschreckung in den Händen der Gotteskrieger.
Auch hierzu hat die „Welt“ eine interessante Quellenangabe:
Bestätigt wird diese Entwicklung durch die Informationen eines CIA-Agenten, der über einen Zeitraum von zehn Jahren aus dem Innenleben der Revolutionären Garden berichtet hat. In einer Meldung aus der zweiten Hälfte des Jahres 1984, mitten also im Krieg zwischen dem Iran und dem Irak (1980 bis 1988), wird auf die Erkenntnis der Garden Bezug genommen, dass Saddam Hussein sich mit allen Mitteln Nuklearwaffen beschaffen wolle.
„Dementsprechend“, so der Bericht des Spions mit dem Decknamen „Wally“, „haben die Revolutionären Garden mit Zustimmung von Imam Khomeini begonnen, Nuklearwaffen verfügbar zu machen.“
Ich habe die „Welt“ angeschrieben und zu diesem und anderen Punkten um Belege gebeten. Wie sich sicherlich herumgesprochen hat, hat Ayatollah Chamenei wiederholt den Besitz und Einsatz von Atom- und anderen Massenvernichtungswaffen als religiös verboten erklärt. Ich hab das schon häufiger zitiert, hier ist es mal auf einem Video zu sehen und zu hören:
Der Artikel in der Welt behauptet, dass solche Aussagen schlicht keine Relevanz hätten, denn
Dieser scheinbar fundamentale Widerspruch zwischen Taten und Rhetorik kann in der Welt des real existierenden Iran problemlos aufgelöst werden. Obwohl im Gottesstaat Iran das Religiöse eine besondere Bedeutung hat, stehen bei wichtigen Entscheidungen die Staatsinteressen über den religiösen Geboten des schiitischen Islam.
Khomeini hat dieses Prinzip in einer Serie von Briefen in den Jahren 1987 und 1988 gegenüber dem damaligen Präsidenten Khamenei und dem Wächterrat statuiert. Darin stellt er unmissverständlich fest, dass die Regierung der Islamischen Republik sowohl die Zerstörung einer Moschee anordnen als auch die Befolgung der fünf Grundpflichten des Islam (Glaubensbekenntnis, Gebet, Fasten, Gabe von Almosen, Pilgerreise nach Mekka) außer Kraft setzen könne, wenn es das Staatsinteresse gebiete.
Alle Aussagen und Unterschriften der iranischen Regierung unter internationale Verträge hätten keine Substanz, denn:
Da die iranische Regierung immer befürchten musste, dass ihre im nationalen Interesse liegende Ausrüstung mit Nuklearwaffen durch massiven politischen Druck, Sanktionen oder Interventionen verhindert werden könnte, ist das Bestreiten der Nuklearrüstung also ein Täuschungsverhalten zum Selbstschutz. Daran hat sich nichts geändert. Es darf also weiter gelogen werden.
Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn die Lüge die Qualität einer Fatwa hat. Eine Fatwa ist jederzeit veränderbar. Khomeini, der im Iran noch immer Maßstab für alles und jeden ist, hat mehrfach seine Fatawa (Plural von Fatwa, d. Red.) verändert und nicht selten ins Gegenteil verkehrt. Die iranische Führung könnte daher problemlos und zu jedem beliebigen Zeitpunkt eine neue Lage schaffen.
Hier wird also der Eindruck erweckt, dass die islamische Republik Iran, ein Staat der in seiner kurzen Geschichte ständig sanktioniert und in einem 8jährigen Krieg gegen den Diktator seines Nachbarlandes Irak mit Massenvernichtungswaffen attackiert wurde – unter Duldung oder sogar mit Unterstützung durch Waffenlieferungen durch die westliche Welt – absolut unglaubwürdig und unzuverlässig sei und Massenvernichtungswaffen anstrebe. Dabei hat Iran nicht einmal in diesem schlimmen Krieg solche Waffen eingesetzt.
So steht also das Land auf jeden Fall am Pranger. Aber stimmt es denn, was der Autor über „Taqiyya“ zu wissen glaubt? Natürlich nicht, denn dieser Begriff bedeutet:
Die Verstellung [taqiyya] ist eine im Islam erlaubte Methode zur Verheimlichung des eigenen religiösen Bekenntnisses wenn das eigene oder anderes Leben oder der Bestand des Islambedroht ist. Da letzteres nach übereinstimmender Meinung aller Gelehrten, Faqih, nur in der Anfangszeit des Islam der Fall war, ist nur noch die Bedrohung von Leben die Ausnahmesituation, in der ein Muslim seinen Glauben öffentlich verleugnen und damit lügen darf, was ihm sonst strengstens verboten ist.
Zu finden ist diese Erklärung bei eslam.de, ich habe das ganze Thema schon vor längerer Zeit einmal erläutert: https://meryemdeutschemuslima.wordpress.com/page/2/?s=taqiyya
Die „Taqiyya“ bedeutet also nichts als die Erlaubnis, seinen Glauben zu verleugnen, wenn das Leben bedroht ist. Es bezieht sich auf diesen Koranvers:
Wer Allah verleugnet, nachdem er geglaubt – den allein ausgenommen, der gezwungen wird, indes sein Herz im Glauben Frieden findet – jene aber, die ihre Brust dem Unglauben öffnen, auf ihnen ist Allahs Zorn; und ihnen wird eine strenge Strafe. (Qur’an, Sura an-Nahl, Aya 106)
Alle Erklärungen, Lügen sei im Islam aus Gründen des Eigennutzes oder der Staatsräson erlaubt sind also die wirklich Lüge. Es geht nur um das Verleugnen des Glaubens und dass Ayatollah Chamenei oder andere Führungspersönlichkeiten der Islamischen Republik Irans ihre Religionszugehörigkeit verleugnen wollten, kann ja wohl niemand ernstlich behaupten.
Es bleibt also vom Artikel der „Welt“ keine Substanz – auch wenn mich genauere Quellenangaben des Autors zu manchen Behauptungen natürlich interessieren – von „Taqiyya“ der Führungspersonen kann keine Rede sein. Ich kann hier nicht auf allen Unsinn, wie z.B. das angebliche Aussetzen religiöser Pflichten, eingehen.
Dass natürlich außerdem der ganze Zirkus um das iranische Atomprogramm auch ein Vorwand ist, gegen Iran als ein souveränes Land, das seinen eigenen weltanschaulichen Weg geht und sich weigert sich dem Diktat von Kapitalismus und Imperialismus zu unterwerfen ist, das wissen informierte Geister sowieso. Für die anderen hier nur ein paar einführende Artikel:
http://irananders.de/home/news/article/iran-die-iaea-und-die-aktuellen-anschuldigungen.html
Ja, die „Welt“ betreibt also in gewohnter Weise Kriegshetze. Aber betreibt sie auch Volksverhetzung? Für mich ist das offensichtlich denn, wie in obigem Artikel des Strafgesetzbuches erläutert ist, wird: gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe zum Hass aufgestachelt, bzw. die Menschenwürde anderer dadurch anggegriffen, dass eine vorbezeichnete Gruppe oder einen Einzelner wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet wird.
Das ist für mich ganz klar. Hans Rühle ist vorsichtig und behauptet nicht, dass alle Muslime lügen. Aber alle shiitischen Muslime sind potentielle Lügner und ihnen ist nicht zu trauen, denn, ich wiederhole noch einmal das Zitat von oben:
…..Hinweis auf das nur im schiitischen Islam praktizierte Prinzip der „Taqiyya“. Es meint die vorsätzliche Täuschung als Selbstschutz und gilt für jeden Einzelnen wie auch für die Regierung.
In der Praxis heißt dies, dass jeder, der um Geld oder Leben fürchten muss, beliebig lügen kann, um Nachteile zu vermeiden. Dabei gibt es keine Beschränkungen. Das Prinzip der Taqiyya gilt immer und überall – selbst bei Glaubensfragen.
Natürlich stimmt, abgesehen von der sinnentstellenden Definition des Begriffes nicht, dass „Taqiyya“ nur für shiitische Muslime erlaubt wäre. Der obige Koranvers erlaubt das natürlich allen Muslimen. Aber eben nur die Verleugnung des Glaubens bei Lebensgefahr.
Gläubige, praktizierende Muslime bemühen sich um einen hoch moralischen Lebenswandel. Eine Überlieferung unseres Propheten Muhammed, Friede und Segen sei mit ihm, sagt:
Die Dinge, die auf der Waagschale am Tage des jüngsten Gerichts am schwersten wiegen sind Gottesfurcht und guter Charakter.
Das Lügen wird im heiligen Koran direkt im Zusammenhang mit der Götzenanbetung genannt (aus der Sure 22:30):
So meidet den Greuel der Götzen, und meidet die falsche Aussage
Also ich als shiitische Muslima fühle mich durch die Aussagen Hans Rühles beleidigt und verleumdet und außerdem stachelt er zum Hass gegen unsere Glaubensgemeinschaft auf. Die einschlägigen Islamhasserseiten, aber auch ahnungslose andere Betreiber von websites haben den Artikel von Herrn Rühle zitiert und kommentiert. Ob die wohl einen Hass auf Shiiten entwickeln? Ob sich eine Strafanzeige lohnt? Ist auf unser Rechtssystem Verlaß? Ich hab da meine Zweifel, aber ich denke darüber nach. Erst einmal warte ich, ob Herr Rühle auf meine Fragen zu seinen Quellen Antwort gibt.