Israel: Wahn und Wirklichkeit; Vortrag von Moshe Zuckermann

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Bismillahir rahmanir rahim

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Meine Eindrücke vom gestrigen Vortrag von Moshe Zuckermann in München. Ich hab jetzt ein bisschen gemogelt bei der Überschrift, denn das Thema war:

Ist Israels Existenz bedroht? Wahn und Wirklichkeit

Kurz zur Biographie des Referenten und zur Einleitung des Vortrages, hier in der Einladung. Ein scharfzüngiger Analytiker, der Herr Zuckermann, der sich nicht scheut, auch mal den Finger in die Wunden der Zuhörer oder Fragesteller zu stecken, z.B. wenn er sich mokiert, dass er immer in Deutschland die Lösungen für den Nahost-Konflikt mitgeteilt bekommt, oder dass die Deutschen immer fragen, was sie denn nun tun könnten…

Moshe Zuckermann war als Vertreter der israelischen Sichtweise zu diesem dritten Vortrag der Reihe: “Ist Israels Existenz bedroht”, der Münchner Kampagne “Kein Krieg gegen Iran” eingeladen. Zu den beiden ersten Vorträgen habe ich hier und hier berichtet. Nachdem also die iranische (friedensbewegte und oppositionelle) Sicht dargelegt und die militärischen Gegebenheiten überprüft waren, nun also eine israelische Stimme – natürlich allerdings nicht von jemandem, der die Regierungsseite repräsentiert.

Es ist schon bitter, was uns Moshe Zuckermann bestätigt: keine einzige Regierung Israels von der Staatsgründung an, war je am Frieden interessiert, bzw. wurde bekanntermaßen  der einzige Politiker der eine friedliche Lösung in Erwägung gezogen hat, ermordet. Auch ein Grund, warum sich in dieser Hinsicht niemand mehr traut. Wer heute in Israel vom Frieden spricht ist bestenfalls naiv, aber eher ein Verräter, den man zum Schweigen bringen muss.

Zuckermann sprach darüber, warum man “keinen Frieden haben wollen kann”:

Ein kleiner Exkurs über unbegründete Gefühle – die aber natürlich trotzdem Gefühle sind, ebenso wie man falsche Bedürfnisse wecken kann, die uns dann aber trotzdem antreiben.

Eine verfestigte Angst, ein Bedrohungsgefühl, das in der israelischen Kultur gepflegt wird und bei aller realer Bedrohung der Geschichte jetzt nicht mehr angemessen ist, sich aber so verfestigt hat, dass es die Ideologie des Staates Israel “alle sind gegen uns” trägt. Eine “Angstideologie” nennt Zuckermann das.

Und das wird natürlich von der Politik auch benutzt – Netanjahu hat die “Iran-Frage” zum Primat seiner Politik gemacht und lenkt damit gelungen von den inneren Problemen des Landes ab, wozu nicht nur die unzufriedene Mittelschicht gehört, sondern auch die Probleme der zukünftigen Wasserversorgung u.a.

Dieses ausschließliche Denken in “Sicherheitskategorien” hat sich so verfestigt, dass es keinen Aufschrei in der Bevölkerung – z.B. bei den Müttern von Wehrpflichtigen gibt – angesichts der Folgen, die ein israelischer “Präventivschlag” auf Iran haben würde. Denn bei allem Schrecken, den Israel in Iran verbreiten könnte, würde Iran doch in der Lage sein, über Monate Raketenbeschuss nach Israel aufrecht zu erhalten, meint Zuckermann.

Die “Zweistaatenlösung” so sagt er, sei wohl das größte Lippenbekenntnis der Weltgeschichte, alle reden davon, keiner tut etwas dafür – im Gegenteil, Israel sabotiert es sogar und dafür gibt es noch einen gewichtigen Grund:

Moshe Zuckermann rechnet mit einem innerisraelischen Bürgerkrieg, wenn tatsächlich eine Regierung versuchen wollte, diese Zweistaatenlösung durchzusetzen. Mittlerweise leben 400000 Siedler in den besetzten Gebieten, die ihre Siedlungen nicht freiwillig räumen würden (das ist ja leider das, was ich mir auch schon immer gedacht habe). Das heißt, wenn man den Friedensprozess angeht: Räumung der Siedlungen, Klärung der Flüchtlingsfrage, Status von Jerusalem, wirkliche Autonomie, dann wird das nicht ohne massiven Druck auf die Siedler gehen – und es ist niemand in Sicht, der das in Angriff nehmen wollte.

Israels Politik ist in höchstem Maße irrational, sagt Moshe Zuckermann. Das was man den Iranern immer vorwirft. Denn, so zitierte er sich selber: Besatzung und sichere Grenzen gehen nicht zusammen. Dabei sind die Israelis diejenigen, die den ersten Schritt Richtung Frieden machen müssen. Denn nur im Frieden wäre seine, Israels,  Existenz nicht bedroht.

Zuckermann ist kein Freund der Hamas, aber Pragmatiker und er sagt auch, wir sollten uns nicht einreden lassen, dass es in der Palästinafrage um religiöse oder ethnische Differenzen  ginge – es handelt sich klar um einen territorialen Konflikt. Dass die Hamas erstarkt ist, sieht er sowieso als Epiphänomen israelischer Politik.

Mit einem Schönredner hat man es bei Moshe Zuckermann wirklich nicht zu tun. Seine Prognose, falls es nicht wider Erwarten zu Friedensbemühungen kommt: entweder immer weiter verstärkte Apartheidpolitik, wie in Südafrikas früheren Zeiten – wir wissen, dass das nicht von Dauer sein kann. Oder es findet sich automatisch die Lösung eines multireligiösen, multiethnischen Staates. Denn die demographische Entwicklung sorgt dafür, dass die Juden im jüdischen Staat über kurz oder lang in der Minderheit sein werden. Was auch das Ende des Zionismus bedeuten würde.

Das löst natürlich wiederum auch Phantasien in Israel aus: “Wer will uns an der ethnischen Säuberung hindern, so lange wir die Atombombe haben?”. Die (Hunderte) Atombomben, von denen man in Israel  unter Androhung strafrechtlicher Verfolgung nicht sprechen darf – Moshe Zuckermann sagt darum auch “die Atomwaffen, von denen man sagt, dass es sie gibt”.

Wie auch immer – die Israelis sitzen in der Zwickmühle. Und, was auch wir Deutschen gut kennen, in einer solchen Situation ruft man gerne nach dem starken Mann. Weshalb auch Netanjahu die nächste Wahl schon in der Tasche hat, meinte der Referent.

Zuckermann ist weder jemand, der die Existenz Israels in Frage stellt, noch jemand, der etwas gegen eine “Ein Staat Lösung” hätte. Seiner Meinung nach, müsste es jedoch erst eine Zwei-Staaten-Lösung geben – dann könnten die beiden Staaten und auch Jordanien und Syrien in einer konföderativen Struktur zusammen an der Lösung der zahlreichen wirklichen Probleme in der Region arbeiten.

Das Fazit also: Israels Existenz wird erst dann gesichert sein, wenn der Kernkonflikt der Region gelöst wurde.

Soweit zum Vortrag. Nicht gerade optimistisch, diese Feststellungen, aber wen wundert das. Dass die UN den Palästinensern wenigstens Beobachterstatus verliehen hat, finde ich schon mal gut und ich hoffe, sie marschieren schnurstracks zum Internationalen Gerichtshof.

Peinlich wieder einmal unsere deutsche Regierung mit ihrer “mutigen” Stimmenthaltung. Alles Gerede unserer Regierung von einer Zweistaatenlösung auch nur Heuchelei, wie es die “Jüdischen Stimmen für einen gerechten Frieden in Nahost auf den Punkt bringen.

In der Diskussion ging es ein wenig um psychologische und psychokollektive Phänomene und Zuckermann meinte, dass die Deutschen sich nicht genug mit ihrer Geschichte auseinandergesetzt haben – ebensowenig wie die Juden – und dass die seltsame Beziehung Deutschlands zu Israel daraus herrührt. Die o.g. “jüdischen Stimmen” haben das in ihrem Statement  ja auch beschrieben:

Als Juden lehnen wir auch entschieden jede Argumentation ab, der zufolge Deutschland wegen seiner „besonderen Beziehung“ zu Israel den Palästinensern das Recht auf Selbstbestimmung verwehrt. Die Verletzung der Rechte der Palästinenser kann niemals die in der Vergangenheit an Juden begangenen Verbrechen kompensieren, und Israel ist nicht befugt, das jüdische Volk für die Rechtfertigung seiner illegalen territorialen Expansionsbestrebungen zu missbrauchen.

Eine sehr interessante Sichtweise, dass wir Deutschen versuchen könnten, uns von der Schuld freizukaufen, in dem wir die israelischen Verbrechen unterstützen.

Wie Moshe Zuckermann sagt, haben wir Deutschen noch nicht gelernt, auseinanderzuhalten was Jude, Zionist und Israeli bedeuten.

Eine Antwort »

  1. „…das wir diese Trennung nicht vornehmen und mit unserem Schuldgefühle…“ Recht haben Sie, aber ich muss leider feststellen, dass die meisten Juden auch diese Trennung nicht schaffen. Wenn in Deutschland Juden in Fernsehe erscheinen, haben ich leider noch nicht ein Wort von bedauern gehört, wenn z.B. Olivenbäumen verbrannt werden, Bauern auf ihre Felder erschossen, Palästinenser in Nachtrazzien aus ihrem Häuser verschleppt werden etc., außer Finkelstein und Chomsky die selten bei uns sowieso erscheinen und wenn als Buh-Männer stilisiert werden. Wie können Sie erwarten, dass der schlecht informiert deutsche Bürger es tut?
    – Right or wrong…my country – sagen bei uns die Juden in Fernsehen…leider!

  2. Meine Erfahrungen nach…was die Deutsche über die Juden denken werden nie klar sagen weil sie Angst haben. Sie lächeln oder auch nicht und Schweigen. Ich habe vor Jahren ein Interview mit Angelika Schroldorf erlebt. Sie verließ Israel, weil sie nicht mehr ertragen konnte wie Juden Palästinenser behandelt haben, kam nach Deutschland zurück und schrieb Bücher (DTV) darüber. Sie sagte: ich versuche meine Freunde darüber aufzuklären und die Antwort war: „Du kann es sagen…wir nicht“. Es ist traurig, dass Menschen die in eine „Demokratie“ leben Angst haben ihre Meinung zu sagen…ergo… Deutschland ist eine Demokratie „a la carte“.

    • Das liegt aber ja wohl daran, dass, wie Zuckermann treffend sagt, Juden, Zionisten und Israel in einen Topf geworfen werden. Trenne ich das, dann sind die Juden mir in ihrem Monotheismus nahe, die Zionisten aber keine Juden, sondern sie hängen einer rassistischen Idee an. Und Israel wiederum besteht nicht nur aus Juden und Zionisten. Es stimmt meiner Meinung nach, dass in Deutschland uns deshalb nicht trauen den Zionismus und die israelische Politik zu kritisieren, weil wir diese Trennung nicht vornehmen und mit unserem Schuldgefühle für die Verbrechen unserer Vorfahren nicht umgehen können. Aber wer, wenn nicht wir, sollte aus dem Faschismus gelernt haben, wie leicht man sich verführen lässt, andere als minderwertig anzusehen? Und genau das ist es, was die Zionisten tun. Warum schont man die?

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