Der Zweck heiligt die Mittel

Standard
Der Zweck heiligt die Mittel

Bismillah

Die NATO hat ihren Auftrag in Libyen überschritten, aber egal, Hauptsache erfolgreich? Volker Perthes als Gastkommentator in der „Süddeutschen“ findet anscheinend nichts dabei. Man hat es den Rebellen recht gemacht, die arabischen Länder sind auch einverstanden und man erhofft sich doch Zugang zum Öl – allerdings ist der noch nicht so sicher, denn jetzt will man die Libyer doch sich selbst neu organisieren lassen.

Die Nato überschritt damit zweifellos das Mandat des Sicherheitsrats, entsprach aber den Erwartungen nicht nur der Rebellen, sondern auch zahlreicher arabischer Staaten und des vermutlich überwiegenden Teils der arabischen Öffentlichkeit. So wenig man hier den Motiven der USA oder Frankreichs traute, hoffte man doch, dass der Krieg in Libyen rasch beendet und Gaddafi irgendwie verschwinden würde. Wenn dies nur mit Hilfe der Nato geschehen könne, dann – so der Tenor vieler Gesprächspartner – müsse das eben so sein.

Sonst hätte doch alles viel länger gedauert. Darum geht  Militär und Krieg vor Demokratie und Verhandlungen und überhaupt ist Ghaddafi ja ein ganz Schlimmer. In einem kleinen Nebensatz liest man immerhin:

Libyen erlebte, anders als Tunesien und Ägypten, keinen friedlichen Aufstand, sondern die raschest mögliche Eskalation zu einem Krieg, in dem sehr wenig Rücksicht genommen wurde – übrigens auch von den Rebellen nicht. Ende August, nach der Einnahme weiter Teile von Tripolis durch die Rebellen, wurde von insgesamt bis zu 30.000 Kriegstoten gesprochen.

Das macht also nichts, dass man blutrünstige Horden mit unklarer Zielsetzung unterstützt?

Urs 1798 hat mit ihrem scharfen Blick auf Videos und unermüdlicher Recherche haufenweise Lügen unserer Medien aufgedeckt. Wenn sich Deutschland auch nicht an den Bombardements direkt beteiligt hat, so haben wir doch Soldaten zur Zielbestimmung eingesetzt und sind damit schuldig am Tod von Zivilisten. Als Bündnismitglied auch für alle anderen Kriegsverbrechen, Plünderungen und Co.

Das alle Kriegsgründe erlogen waren, hatte ich schon mal zitiert, hier noch mal der link zu Tlaxcala.

Inzwischen wurde Merkel zur mächtigsten Frau der Welt gewählt. Das hat sie mit hartnäckiger Verweigerung im Dienste ihres Volkes tätig zu sein und dafür um so größerer A…kriecherei bei den USA, Israel und ggf. auch bei neuen Ölministern in interessanten Ländern getan. Ali Tarhouni, der dieses Amt jetzt in Libyen einnimmt, ist übrigens gerade rechtzeitig zum „Aufstand“ aus seiner Wahlheimat USA zurückgekehrt.

Westerwilly andererseits, soll jetzt gefälligst mal eingestehen, dass seine Weigerung sich an den NATO-Aktionen gegen Libyen zu beteiligen, ein Fehler war, schreibt die SZ in der Printausgabe zum Wochenende. Da windet er sich noch – zu dumm auch, dass er damals vernünftig reagiert hat, das kommt gar nicht gut. Er meinte dann auch, man habe eben andere Maßnahmen als Beteiligung für besser gehalten – vermutlich meint er die Bombenzielsuche. Zu feige ist er zu sagen, dass sich ja gezeigt hat, dass seine Haltung die richtige war, wenn man die völkerrechtlichen Verstöße und Kriegsverbrechen der NATO anschaut. Vielleicht hätte er mit mehr Standhaftigkeit der FDP mal ein neues Profil geben können, aber das war doch wohl eher ein Versehen.

Wirklich erschreckend finde ich, dass es anscheinend nicht die kleinste Reaktion (ich hab jedenfalls nichts gelesen) der UNO dazu gibt, dass ihr Auftrag zu Libyen überschritten wurde (wobei ich den Auftrag an sich schon rechtswidrig fand). Vermutlich haben sie längst akzeptiert, dass Militär über Regierung steht, sei es auch die Weltregierung. Aus einer „Flugverbotszone“ wurde eine Luftwaffe für die sogenannten Rebellen. Na wenn schon, Hauptsache Ghaddafi kommt weg.

Wie kann es sein, dass sich kaum ein Stimmchen regt, dass dagegen protestiert, dass unser Land sich an immer neuen Kriegsverbrechen beteiligt? In den 80er Jahren waren Millionen auf der Straße, „nur“ weil ein paar Raketen hier stationiert werden sollten, von einem Einsatz war erstmal nicht die Rede. Das war damals richtig so. Heute haben wir Blut an den Händen und der Widerstand ist minimal. Haben uns alle die „Kollateralschäden“ so abgestumpft? Eigentlich müssten wir aus diesen und anderen Gründen in allen Städten die zentralen Plätze besetzen.

Und bevor jemand mit dem Finger auf mich zeigt: meine Zeiten auf der Straße sind weitgehend vorbei. Ich kann das gesundheitlich nicht mehr. Darum schreibe ich ja hier, in der Hoffnung dass unser trotz allem sattes und benebeltes Volk aufwacht. Wenigstens ein paar Leute.


guckstu auch hier

 

 

Artikelbild: Urs1798

Eine Antwort »

  1. Meryem, das ist mal ein Fall, wo ich ganz anderer Meinung bin als Urs und du. Nach dem 17. Februar habe ich von den libyschen Tweeps und auf den Websites wirklich Hilfeschreie gehört – Gaddafi hätte vor keiner Art von Massaker zurückgeschreckt, einiges kam schon heraus, anderes wird jetzt nach und nach veröffentlicht. Erst in den letzten Stunden vor der Befreiung Tripolis gab es Exekutionen.
    So wenig ich NATO-Interventionen in muslimischen oder anderen Ländern mag, hier wurde darum gebeten, sowohl von den Rebellen als auch von der arab. Liga. Das war mir genug, um mich da entsprechend weiter in die Nesseln zu setzen.
    Seit wieder aus Tripolis berichet werden kann, höre ich auch, dass trotz aller Verluste und Schwierigkeiten die Stimmung im allgemeinen gut ist.
    Ohne die NATO wären weit mehr Menschen tot, glaub mir. In Syrien können wir jetzt life gucken, was möglich ist – und Assad ist nicht mal ganz so irre wie Gaddafi. Kannst du dich an Hama 1982 erinnern? Das wollte ich nicht noch einmal sehen.
    Jetzt könnte ihr mich verprügeln, aber ich stehe dazu: ich habe aus Libyen kein Wort der Kritik an der NATO gehört, keine Bitte, aufzuhören. Das halte ich für entscheidend.

    • Salam aleikum, ich weiß, dass Deine Einschätzung da anders ist, bzw. wusste dass sie es wahr, aber nicht ob Du dabei geblieben bist. Aber guck Dir Urs´ blog an: sehr wohl gabe es Hilfeschreie „andersrum“ aus Libyen, genauso wie es viele unserer Tagesschau Nachrichten gefälscht waren. Erst gestern wurde in der SZ zugegeben (in noch einem anderen Artikel), dass die Rebellen Dunkelhäutige umgebracht haben, es könnten ja Söldner auf Ghaddafis Seite sein. Ich will auch kein Massaker sehen, jetzt hatten wir aber eines. Ich verstehe nicht, wie man diese sogenannten „Rebellen“ unterstützen konnte, ohne zu wissen wer sie sind und was sie wollen. Würde es nicht Öl in Libyen geben, hätte man das auch nicht gemacht.
      Und dass die NATO über ihr Mandat weit hinausgegangen ist, ist sowieso eine völkerrechtliche Schweinerei.
      Und wenn die arabische Liga so gerne helfen wollte, warum haben sie dann nicht alle Register gezogen? Haben sich fein zurückgelehnt und andere machen lassen.

      In Syrien haben mindestens am Anfang, wie auch in Libyen die von den Saudis finanzierten Salafis mitgemacht. S.A. fürchtet wohl um seinen Einfluss. Und auch von dort ist nicht alles echt, was wir zu sehen bekommen, wobei ich Assad auch nicht verstehen kann, so ein Betonklotz. Inschallah geht das mal glimpflich aus, wenigstens „retten“ wir dort niemanden, dafür hat die NATO zuviel Angst vor Iran. Die türkischen Bemühungen dort finde ich ganz o.k. und auch wenn Assad sich stur stellt, scheint es sich seither doch etwas zu beruhigen, womit man den auch noch nicht los ist, aber anscheinend eskaliert es nicht weiter. Selbst Iran macht sanften Druck. Und die Minderheiten scheinen eher auf Assads Seite zu stehen.

      Wassalam, Meryem

  2. So nachvollziehbar Deine Vorbehalte und Deine Verbitterung auch sein mögen; so blamabel das Verhalten „westlicher“ politischer Aktuere und ihrer Stichwortgeber in Journaile und Wissenschaft sich auch ausnehmen mögen, so besteht doch eine Gefahr, den Herrn Gaddafi allzu sehr aufzuwerten. Die Platform Pulse, deren Machern man nun weiß Gott nicht vorwerfen könnte, sie teilten das Bett mit Nordaltlantikern, Kulturkämpfern und Steinzeitzionisten, hat dazu folgende Beobachtung:
    „It really is very amusing to hear faux-leftists pontificate on how Qaddafi and his multi-millionaire playboy sons ran a socialist, anti-imperialist state even as they tortured rendered suspects for America. It’s even more of a scream to hear them describe the dictator as an anti-racist.“ (http://pulsemedia.org/2011/08/26/qaddafis-racism/)

    • Nein, ich bin nicht der Meinung, dass Ghaddafi etwas anderes ist als ein Diktator. Ich habe aber erhebliche Zweifel an den Motiven der „Rebellen“. Und jedenfalls haben die letzten Ghaddafi-Jahre weniger Menschenleben gekostet als diese sogenannte Revolution. Was Wohlstand angeht, ging es den Leuten sogar relativ gut. Saddam Hussain war auch ein grausamer Diktator, trotzdem ist der Irak jetzt kaputter als je zuvor und zudem durch Uranmunition verseucht. Hätten „wir“ ehrliche Motive den Menschen zu helfen, würden wir die Mittel anders abwägen.

      • Ich bin auch hin- und hergerissen. Einerseits ist jeder Diktator, der gestürzt wird, eine gute Nachricht. Andererseits mag ich mich auch nicht dem „Segen“ anschließen, der jüngst von Uri Avnery den „westlichen“ Truppen ausgesprochen wurde.

Hinterlasse einen Kommentar