Buchbesprechung: Die Frau an seiner Seite von Heribert Schwan (Biographie von Hannelore Kohl)

Standard

Bismillah

Jetzt werden sich hier einige die Augen reiben, angesichts dieses Themas – zugegeben, es fällt aus der Reihe. Und wäre mir wiederum nicht das Buch unter den Neuerwerbungen in der Bibliothek ins Auge gefallen, dann hätte ich es sicherlich nie gelesen. Aber so dachte ich mir „warum nicht“ und hab es mitgenommen. Es hat mehr bei mir ausgelöst, als erwartet.

Die Kohlschen Kanzlerjahre waren schließlich eine prägende Zeit in meinem jungen Erwachsenendasein. Gerade Mutter geworden, alleinerziehend, Durchstart im Beruf am Anfang – am Ende schon ziemlich ausgebrannt und von der Entwicklung unseres Landes entsetzt – auch wenn die „Wiedervereinigung“ im Grunde eine Freude gewesen war.

Trotzdem: diese Kohl-Jahre sind in meiner Wahrnehmung diejenigen gewesen, in denen das Soziale in unserer Sozialen Marktwirtschaft nach und nach zerstört wurde. Auf einmal war viel von „Selbstverantwortung“ die Rede. Ich fand schon damals, dass ich eigentlich ziemlich viel Verantwortung trug und dass mein Krankenschwestern-Einkommen keine Luft ließ für zusätzliche Versicherungen. Es begann die Entwicklung, dass man mit Krankenhäusern Gewinne machen müsste – oder wenigstens der Staat beim Gesundheitswesen nichts zuzahlen müsste. Darum waren auch kurzzeitige positive Entwicklungen mit besserer Qualifikation und besserer Bezahlung in meinem Beruf wieder schnell zunichte gemacht.

Die „Volksaktie“ tauchte auf – die Telekom wurde privatisiert, die Beamten rausgemobbt oder auf unsere Kosten in die Frührente befördert und Ähnliches geschah bei der Bahn.

Nein, ich hab daran keine guten Erinnerungen. Dass wir uns mit der DDR vereinigt haben, hat mich zwar gefreut, aber ich hatte doch eher das Gefühl, wir hätten ein Land „übernommen“. Und Kohl hat nicht allzuviel dazu beigetragen, die Wurzeln der Verständigung haben seine Vorgänger gelegt und schließlich haben die DDR-Bürger ihre Freiheit erstritten.

Tja also – auch wenn seine Nachfolger sich auch nicht als besser erwiesen haben und dann schließlich sogar die größeren Verbrechen begingen, indem sie uns in den Krieg führten – Kohl war nie mein Kanzler.

Und seine Frau? Sie hab ich nicht wirklich wahrgenommen. Die Betonfrisur und das gequälte Gesicht beim üblichen Urlaubsfoto, mehr bekam ich eigentlich nicht mit. Dann gegen Ende ihres Lebens die Geschichten von der „Lichtallergie“ und ihr Selbstmord.  Schon interessant, darüber mehr zu erfahren dachte ich mir und nahm das Buch mit.

Heribert Schwan ist ein Journalist, der mit den Kohls lange vertraut war und vor allem auch mit Helmut Kohl gearbeitet hat. Dass er das Vertrauen von Frau Kohl erworben hat, war nicht einfach, sie war sehr zurückhaltend, vor allem was Privates anging. Und absolut loyal, was ihren Mann betrifft. Interessant, dass sie sich als unpolitisch ansah. Das geht sicherlich nur im Rahmen der klassischen Rollenverteilung die das Ehepaar Kohl gelebt hat.

Über Politik erfährt man in der Biographie also nur am Rande etwas, etwa wenn berichtet wird, wie sich Hannelore Kohl mit ihrem Mann freut oder auch mit leidet, wenn er sich gegen Intrigen und Mißerfolge wehrt.

Aber ich sollte lieber mit dem Anfang beginnen.

Hannelore Kohl wurde am 7.März 1933 in Berlin geboren, also kurz nach der Machtübernahme der Nazis. Sie ist damit drei Jahre jünger als ihr späterer Ehemann gewesen. Ihr Vater war ein ehrgeiziger Ingenieur pfälzischer Abstammung, der trotz seiner Kriegsverpflichtung in jungen Jahren und in der Wirtschaftskrise danach einen stetigen beruflichen Aufstieg zu verzeichnen hatte, ihre Mutter stammte aus einer Bremer Akademikerfamilie. Hannelore Renner, so ihr Mädchenname, wuchst in Leipzig auf, wo ihr Vater beim Rüstungsunternehmen „HASAG“ als Direktor Karriere machte. Die frühen Kinderjahre verbrachte Hannelore in einer luxuriösen, großbürgerlichen Umgebung, wo ihre Mutter eher distanziert aber sehr ehrgeizig über sie wachte, während ihr Vater der liebevolle und strahlende Held ihrer Kindheit war. Für die weibliche Zuwendung war das Kindermädchen zuständig.  Hannelore war als Kind kränklich und die Eltern deshalb in Sorge, auch weil damals noch Epidemien wie die Kinderlähmung eine große Gefahr waren. Alles in allem hatte Hannelore bis zu ihrem 12. Lebensjahr eine unbeschwerte Kindheit. Ihre Eltern waren überzeugte Nationalsozialisten und so war es selbstverständlich, dass die Hannelore dem BDM ohne Murren beitrat. Bis zum Beginn der Bombardements auf Leipzig, war alles sehr behütet. Dann brach der Krieg auch auf die heile Familie herein: Evakuierung, Arbeitseinsatz für die Mutter, bisher „Dame der Gesellschaft“, Unterbringung mit anderen Evakuierten, Zerstörung des Hauses in Leipzig mit allen Erinnerungen und schließlich die Flucht Richtung Westen. Der sonst stets präsente Vater verschwunden, untergetaucht, floh Hannelore mit ihrer Mutter Richtung der pfälzischen Heimat ihres Vaters.

Interessant ist die Lebensgeschichte Hannelore Kohls für mich wegen dieser Erfahrungen geworden. Meine Mutter ist auch Flüchtling gewesen, aus Schlesien allerdings und noch einige Jahre jünger.  Und wie die Familie Renner haben sich die Frauen meiner Familie alleine durchschlagen müssen. Nur wenig wurde über die Erfahrungen, zu denen aber auch Hunger, Gewalt und vor allem Vergewaltigung gehörten, gesprochen. Und solche Erlebnisse hatte auch Hannelore Kohl, damals noch ein junges Mädchen.

Ihre weitere Lebensgeschichte ist bei aller Prominenz, in vieler Hinsicht typisch. Die Erfahrungen wurden weitgehend verschwiegen, eine irgendwie geartete Therapie gegen die Traumafolgen gab es nicht, in Hannelores Fall auch nicht gegen die körperlichen Folgen wie Wirbelsäulenverletzungen, die ihr lebenslang Schmerzen verursachten. Die Erfahrung, dass die ganze Existenz zerstört wurde, ob es nun eine luxuriöse wie bei Hannelores Familie, oder die einer bescheidenen Bergmannsfamilie wie bei meiner war, fühlte sich sicherlich ähnlich an. Deshalb haben auch so viele dieser Generation immer Existenzängste gehabt und gespart und geschuftet, um sich wieder einen Platz in der Gesellschaft zu erobern. Auch wenn in Westdeutschland damals ungefähr 30% der Bevölkerung aus Flüchtlingen und Vertriebenen bestand, hatten diese doch zusätzlich zu den zerstörten Existenzen mit dem Widerstreben der Alteingesessenen zu kämpfen, die über die „Habenichts“ aus dem Osten nicht unbedingt begeistert waren.

Für Hannelore Kohl waren die Nachkriegsjahre hart, aber immerhin konnte sie ihre Schulausbildung fortsetzen und auch ein glänzendes Abitur ablegen. Sie schaffte es sogar, einige Wochen als Au-Pair Mädchen in Paris zu verbringen. Ihre pädagogischen Fähigkeiten als Nachhilfelehrerin verhalfen ihr zu einem Taschengeld. Für ein Studium reichten aber die geringen Mittel der Familie nicht aus und dann verstarb auch noch ihr Vater, kurz nachdem sich eigentlich ein erneuter beruflicher Aufstieg ankündigte. Eigentlich hatte der Vater Glück gehabt, dass er einer Bestrafung nach der Nazi-Zeit durch seine Übersiedlung in den Westen entgangen war, schließlich hatte seine Firma in Leipzig nicht nur Rüstungsgüter gebaut sondern war auch erheblich an der Ausbeutung von Zwangsarbeitern beteiligt. Aber mit dem beruflichen Abstieg war er schlecht zurechtgekommen und als er mit knapp über sechzig Jahren angeblich an einem Herzinfarkt verstarb, wurde auch über Selbstmord gemunkelt.

Hannelore Kohl musste ihre Ausbildung an der Dolmetscherschule abbrechen um für sich und ihre Mutter zu sorgen. Die Mutter kam schlecht mit ihren Lebensverhältnissen zurecht und war lebenslang von Hannelore mehr oder weniger abhängig. Hannelore Renner begann als fremdsprachliche Stenotypistin zu arbeiten und verdiente schließlich ein bescheidenes aber auskömmliches Gehalt. Ihre sprachlichen und naturwissenschaftlichen Talente lagen allerdings weitgehend brach.

Ihren späteren Mann Helmut Kohl hatte Hannelore Kohl schon mit 15 Jahren kennen gelernt und er stand ihr nun, fünf Jahre später, zur Seite als ihr Vater verstarb. Heiratspläne gab es längst, aber wie es der damaligen Zeit und Stimmung entsprach, sollte erst die berufliche Zukunft gesichert sein. So dauerte es bis 1960, bis die Eheleute Kohl geheiratet haben und ein Haus in Ludwigshafen bezogen, dessen Finanzierung der Flüchtlingsstatus von Hannelore und ihrer Mutter überhaupt erst ermöglicht und dessen Planung, Bauaufsicht  und Einrichtung Hannelore übernommen hatte. Damit bewies sie das erste Mal ihr Talent als Managerin der Familie und diese Rolle hat sie beibehalten. 1963 kam ihr erster Sohn zur Welt, Walter, 1965 der zweite Sohn Peter. Da war Hannelore Kohl schon mehr oder weniger alleinerziehend und ihr Mann in der Landespolitik im Aufstieg begriffen.

Die Biographie erzählt natürlich die Geschichte des Aufstiegs Kohls vom Landespolitiker zum Ministerpräsidenten und schließlich in die Bundespolitik. Für die Betrachtung des Lebens seiner Frau, sind aber viele Details eher unwichtig und da sie selber sich als unpolitisch bezeichnete, war das eher ein Folge von Herausforderungen, denen sie sich mehr oder weniger willig zu stellen hatte. Eine klassische Rollenverteilung war nicht das Problem für Hannelore Kohl, allerdings beschreibt das Buch nur sehr oberflächlich, wie sich das Ehepaar über den politischen Aufstieg entfremdet haben muss.

Ich finde es erschütternd zu lesen, dass sich Helmut Kohl, obwohl er seine Frau sicher geliebt hat, in seinen Plänen überhaupt nicht seine Ehe und Familie einbezogen hat. Die mussten den Weg mitgehen, ob sie wollten oder nicht. Seine Söhne haben die Politik verachten gelernt, was ich durchaus verständlich und bemerkenswert finde. Und seine Frau Hannelore muss wohl dauernd die Zähne zusammengebissen haben, da er sie selten um ihre Zustimmung für einen nächsten Schritt gebeten hat, oft sogar gegen ihren erklärten Willen handelte, aber ihre Unterstützung brauchte und dann auch schätzte. Sie hat auf vielen Veranstaltungen gelächelt, die ihr zuwider waren, auch wenn sie natürlich auch stolz auf ihn war. Über Entscheidungen aus den Medien erfahren zu müssen, die ihr Ehe- und Familienleben nachhaltig beeinflussten, dass mehr oder weniger gelassen zu schlucken, kann nicht gesund sein.

Heribert Schwan ist ein diskreter Biograph und seine Andeutungen über mögliche Krisen und Zornesausbrüche von Hannelore Kohl sind entsprechend verhalten. Sie hat ihr Leben ihrem Mann untergeordnet, ebenso wie sie für ihre Mutter, Schwiegermutter gesorgt hat, einschließlich der Pflege und das als Gattin eines prominenten Politikers mit entsprechenden gesellschaftlichen Verpflichtungen. Für ihre Söhne war sie immer präsent und hat dafür gesorgt, möglichst keine Nacht außer Haus zu verbringen. Ansonsten war auch sie eine ehrgeizige und dominante Mutter, die sich auch für deren schulische Entwicklung engagierte. Für ihre eigene psychische Gesundheit hat Hannelore Kohl durch ein Netz von vertrauten Freundinnen gesorgt, dass sie sich aufgebaut und gepflegt hat, sie war sicherlich eine loyale Freundin und entsprechend hat auch ihr Netzwerk gehalten. Unterstützung hatte sie auch von dem Ehepaar, dass als Fahrer und Haushälterin tätig war und über die Jahre zu Freunden wurde.

Wir erfahren davon, dass ihre Krankheiten ihr immer zu schaffen machten, vor allem die Wirbelverletzungen und dass sie stets Angst vor Menschenansammlungen hatte, in denen sie verletzt werden konnte. Dass sie nach jahrzehnterlanger Schmerzbehandlung eine Tablettenabhängigkeit entwickelt hatte, war schließlich kein Wunder und hat am Ende für die traurige Entwicklung eine Rolle gespielt. Interessant auch, wie die Erfahrungen aus Krieg und Nachkriegszeit zu einer lebenslangen Angst vor finanziellem Ruin führten, so dass selbst für uns normale Bürger komfortabel aussehende Bedingungen, ihr kein Gefühl von Sicherheit gaben.

Heribert Schwan hat u.a. Luise Reddemann, die bekannte Traumaforscherin und -therapeutin als Ratgeberin für das Buch einbezogen, als ich das im Vorwort las, war ich entschlossen, das Buch zu lesen. Denn es ist nicht von ihrer Lebenserfahrung zu trennen, dass Hannelore Kohl ein derartiges Durchhaltevermögen entwickelt hat, aber schließlich auch unter der Last ihrer verdrängten Gefühle zusammengebrochen ist.

Eine kurze Blütezeit, in der sie ihre ganz eigenen Fähigkeiten verwirklichen konnte, hatte Hannelore Kohl als die Kinder aus dem Haus waren und im Ausland studierten. Das war ihr Wunsch, da sie stets in Angst gelebt hatte, diese könnten Opfer von Anschlägen werden. Als Präsidentin des „Kuratoriums für Hirnverletzte“ schaffte sie, für Menschen mit solchen Krankheitsbildern eine erhebliche Verbesserung von Frühbehandlung und Rehabilitation in Gang zu setzen. Dafür konnte sie sowohl ihr naturwissenschaftliches Interesse, als auch ihre organisatorischen und kommunikativen Fähigkeiten einsetzen. Ich gestehe, dass mir damals diese Leistungen gar nicht aufgefallen sind – dafür war Hannelore Kohl für mich viel zu sehr mit dem „ewigen“ Kanzler verbunden. Aber diese Tätigkeit hat ihr wohl wirklich noch einmal Freude bereitet. Auch die Wiedervereinigung muss sie sehr berührt haben, schließlich konnte sie jetzt endlich wieder ungehindert in ihre alte Heimat reisen.

Trotzdem: richtig gesund war Hannelore Kohl nie, aber niemand sah, dass ihre Erkrankungen auch durch ihre Traumata bedingt waren. 1993 soll ihr langjähriger Hausarzt ihr trotz ihrer bekannten und schweren Penicillinallergie ein falsches Medikament verschrieben haben, dass zu einem anaphylaktischen lebensgefährlichen Schock führte, den sie nur knapp überlebte. Der Hausarzt schweigt unter seiner Schweigepflicht, wurde „verstoßen“, aber es liegt nahe, dass er einen solchen Fehler nicht begangen haben kann. Die offizielle Version der Familie ist jedoch, dass durch diesen Auslöser sich der Gesundheitszustand Hannelore Kohls zunehmend verschlechterte, was schließlich zu ihrer „Lichtallergie“ und ihrem Selbstmord führte.

Heribert Schwan schildert eine andere Entwicklung und damit hat er es sich wohl mit der Familie Kohl verdorben. Es spricht nämlich einiges dafür, dass 1993 Hannelore Kohl schon den ersten Suizidversuch aus Überforderung und Angst vor einer Auslandsreise unternommen hat – eine Reise die ihr Mann dann auch ohne sie antrat und so war er in Asien, als sie in Lebensgefahr im Krankenhaus lag. Die alten Traumata lassen sich nicht für immer verdrängen, aber die Generation der Kriegskinder spricht nicht darüber – ich erlebe bei vielen, dass erst im Alter überhaupt mal ausgepackt wird, was sie ihr Leben mit sich herumgeschleppt haben. Natürlich ist es hilfreich, wenn man solche Pakete nicht alleine zu tragen hat – aber Hannelore Kohl hatte den fürsorglichen Partner ihrer Jugendjahre schon lange nicht mehr.

Das ist ein weiterer interessanter Aspekt des Buches: ich hab mich schon immer gefragt, was für ein Typ Mensch man sein muss, um Politiker sein zu können. Sympathischer sind mir diese Leute nicht geworden, auch Helmut Kohl nicht, auch wenn in dem Abschnitt über die jungen Jahre des Paares er mich ein wenig gerührt hat. Aber jemand der um der Macht willen gänzlich vergisst, dass er auch eine Ehefrau und eine Familie hat, es sei denn, die sind gerade nützlich, den kann ich nicht respektieren. Hannelore Kohl war stets absolut loyal und ließ auf ihren Mann nichts kommen. Aber er hat ihre Nöte lange nicht mehr wahrgenommen. Nicht einmal einen einzigen Urlaub nach ihren Wünschen hat es gegeben, nur die alljährliche Zurschaustellung gequälter Gemeinsamkeit am Wolfgangsee.

Was wohl den Ausschlag gab für Hannelore Kohls endgültigen Abstieg in die tiefe Depression, war schließlich die Spendenaffäre. Sie war schon vorher sehr angeschlagen durch ihre angebliche Lichtallergie. Gegen diese Diagnose spricht allerdings medizinisch eine Menge. Tragisch, dass die Familie jeglichen Arzt, der dieser Diagnose nicht folgen wollte aus der Behandlung ausschl0ß, so dass aber auch jegliche Therapie erfolglos bleiben musste. Zunehmend isolierte sich Hannelore Kohl, verließ kaum noch das Haus, litt unter ständigen Schmerzen und entwickelte dadurch wohl auch eine Abhängigkeit. Eine Behandlung aber wiederum jagte ihr Angst ein, nicht nur wegen der Unannehmlichkeiten, sondern auch, wegen der Angst vor der Öffentlichkeit und der Schande.

Durch die Spendenaffäre brach dann auch noch die gesellschaftliche Unterstützung vollständig zusammen. Gerade noch geachtet als Altkanzler, dann im Zwielicht als korrupter ehemaliger Regierungschef – Helmut Kohl hat sich nicht mit Ruhm bekleckert und auch da nicht Rücksicht auf seine Frau genommen. Noch einmal hilft sie ihm bei der Aufarbeitung und Rechtfertigung durch die Mitarbeit an einem Buch, es gab wohl noch einmal eine kurze gemeinsame Zeit, aber ihrem Wunsch nach Aufklärung kam auch er nicht nach. Dass sie, um sich an der Strafzahlung zu beteiligen, ihr Haus wieder mit einer Hypothek belasten mussten, erscheint für Normalbürger angesichts der Altersversorgung eines Politikers lächerlich, für Hannelore Kohls Existenzängste war das aber wieder Wasser auf die Mühlen. Auch ihre Arbeit für Hirnverletzte litt unter dieser Affäre, mit der sie ja nun wirklich nichts zu tun hatte.

Ihre letzte Lebenszeit muss sehr einsam und gespenstisch gewesen sein. Heribert Schwan schildert aus dem Inneren dessen, an was ich mich noch erinnern kann: der vollkommen verrammelte Wohnsitz der Kohls. Spaziergäng im Dunkeln, bei denen Hannelore Kohl wohl einiges mehr preisgegeben hat, als ihr loyaler Biograph uns mitgeteilt hat. Man muss auch nicht im Einzelnen über die familiären Konflikte, die Geduld aber auch die Zornesausbrüche von Hannelore Kohl Bescheid wissen um diese Tragik zu erfassen. Schließlich hat sie aufgegeben, wohl auch weil sie am Ende auch noch an der Treue ihres Mannes Zweifel hatte, wobei ich dazu gar keine Meinung habe, ob das berechtigt oder unberechtigt war. Sie war jedenfalls alleine und er mit der Rettung seines Rufs beschäftigt – das finde ich am Ende doch schäbig, nachdem diese Frau ihm über 40 Jahr zur Seite gestanden hat.

Also, man merkt, diese Lebensgeschichte hat mich mehr bewegt, als ich es mir vorgestellt hätte. Es zeigen sich darin eben so viele typische Erscheinungen der Kriegs- und Nachkriegsjahre, der Erlebnisse unserer Eltern und Großeltern. Und natürlich, wie gesagt, meine eigenen jungen Erwachsenenjahre, die von den Kohlschen Kanzlerjahre nun einmal geprägt wurden. Und es regt zum Nachdenken darüber an, welchen Preis man für die Macht bezahlen muss und was aus den guten Ideen im Laufe einer politischen Karriere werden kann.

Hinterlasse einen Kommentar